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Die Musen des Herodotus von Halikarnassus

übersetzt von J. Chr. F. Bähr.



Sechstes Buch. Erato.

Einleitung in das sechste Buch.

Mit dem sechsten Buch, welches mit dem Namen der Muse Erato bezeichnet ist, tritt der Geschichtscheiber seiner eigentlichen Aufgabe näher, ja vielmehr in dieselbe wirklich ein. Wenn die ersten Abschnitte die mit dem vorhergehenden Buche noch nicht abgeschlossene Niederwerfung des Aufstandes der Jonischen Griechen und damit das Ende dieses Aufstandes in Asien und den Städten des Hellespont uns vorführen, so knüpft sich daran unmittelbar der erste von Mardonius unternommene Zug der Perser wider das hellenische Mutterland selbst, hervorgerufen durch die Unterstützung, welche dasselbe den wider die Perser aufgestandenen Griechen in Asien hatte angedeihen lassen. Da jedoch dieser Kriegszug das eigentliche Hellas gar nicht erreichte, sondern in Folge des Scheiterns der Flotte am Berge Athos und der Gefahren des Landheers durch die Macedonien bewohnenden Stämme der Führer des Heeres unverrichteter Sache mit dem Reste feiner Macht wieder zurückkehrte, so können wir den eigentlichen Anfang des Kampfes zwischen den Persern und den Hellenen mit dem nach längeren Vorbereitungen und Rüstungen auf Drängen des Darius unternommenen Zuge des Artaphernes und Datis beginnen, zumal als ihm eine förmlich vom Perserkönig an die verschiedenen hellenischen Staaten erlassene Aufforderung vorausgegangen war, sich gutwillig der Macht des Königs zu unterwerfen, oder, wie die übliche Formel der Unterwerfung lautete, ihm Wasser und Erde zu reichen. Die Darstellung beider Kriegszüge, des kürzeren des Mardonius, und des größeren des Datis und Artaphernes, welcher mit der Schlacht bei Marathon sein Ende erreichte, bildet den Hauptinhalt dieses Buches; namentlich ist dem zweiten Zuge, in welchem die gewaltige Macht Persiens durch eine verhältnissmäßig geringe Anzahl tapferer Hellenen, zunächst der Athener, welchen sich einige Platäer zugesellt hatten, gebrochen ward, eine größere, dem Zwecke des Ganzen entsprechende Ausführlichkeit gewidmet, die uns diesen Kriegszug nach allen seinen Einzelheiten schildert, und überall eifrigst bemüht ist, die Wahrheit zu ermitteln und dieselbe vor andern minder richtigen Angaben, wie sie über diese Vorfälle schon zu Herodotus' Zeiten — nach kaum einem halben Jahrhundert — in Umlauf gesetzt waren oder von Parteiinteressen ausgebeutet wurden, wie z. B. in Bezug auf den angeblichen Verrath der Alkmäoniden[*)] , sicher zu stellen. Auf diese Weise bildet der Hauptinhalt dieses Buches gewissermaßen die Vorstufe zu dem, was nun den Gegenstand der folgenden drei Bücher ausmacht, die Darstellung des zweiten großen Zuges der Perser wider Hellas unter dem Nachfolger des Darius, unter Xerxes, und der noch größeren Heldenkampfe der Hellenen, welche diesem Kriege eine für die Hellenen so günstige Wendung und einen Ausgang verliehen, welcher die Perser für alle Folge von weiteren Unternehmungen wider Hellas abzusehen nöthigte.

Neben dem, was hiernach den Hauptgegenstand der Erzählung in diesem sechsten Buche bildet, fehlt es auch hier nicht an einzelnen Episoden und Digressionen, wie sie Herodotus auch in dem vorhergehenden fünften Buche eingestreut hat, und überhaupt bei jeder passenden Gelegenheit gern einzuweben pflegt. Wir rechnen dahin, neben manchen kleinen Bemerkungen, wie z. B. über den Reichthum von Thasus und dessen Bergwerke (Kap. 46. 47), insbesondere die längere Erörterung über die Könige zu Sparta, den Ursprung des Doppelregiments, die Rechte der beiden Könige, ihre ganze Stellung und Bedeutung, was für die richtige Würdigung des Spartanischen Königthums von so großer Bedeutung ist (Kap. 52 ff.), wozu allerdings die nicht zu umgehende Darstellung der Zwistigkeiten unter den beiden Königen, Kleomenes und Demaratus, eine erwünschte Veranlassung bot, die uns dann weiter auch Kunde von den Verhältnissen Sparta's zu Argos (Kap. 76 ff.), so wie der Verhältnisse von Aegina zu Athen (Kap. 85 ff.) gebracht hat, was unwillkürlich damit zusammenhängt. Und wenn wir dem Geschichtschreiber für die Aufklärungen, welche diese eingestreuten Abschnitte bringen, dankbar zu sein alle Ursache haben, so wird dieß nicht minder der Fall sein bei dem. was er in einer andern derartigen Abschweifung über die Verhältnisse der Alkmäoniden uns mittheilt, eines der ältesten und edelsten Geschlechter Athens, dem der bedeutendste Mann seiner Zeit, Perikles, dessen Tod (429 v. Chr.) Herodotus jedenfalls noch erlebt hat, entstammte (Kap. 121 ff.), so wie bei dem, was er über Miltiades, den Sieger bei Marathon, und dessen unglückliches Unternehmen wider Paros (Kap. 132 ff.), so wie dessen frühere Eroberung von Lemnus (Kap. 137 ff.) berichtet, im Anschluß und in Verbindung mit dem, was schon in der ersten Abtheilung dieses Buches in einer andern Abschweifung der Art, durch die Erwähnung der Thracischen Chersonesus veranlaßt, über die Vorfahren dieses Miltiades, wie überhaupt über dessen Geschlecht bemerkt worden war (Kap. 34 ff.): eine Erörterung, die ebenso in der Bedeutung dieses Attischen Geschlechts ihren vollen Grund hat. Denn gerade in solchen Nebenpunkten zeigt sich das Bestreben des Geschichtschreibers, über Alles, was nur irgend zur Aufklärung der Sache, wie der Personen dienen kann, uns völligen Aufschluß zu geben und dadurch die Nachwelt zu einem richtigen Urtheil über die Ereignisse selbst, die den Gegenstand seines Werkes bilden, zu veranlassen.



Inhalt des sechsten Buches.

Völlige Niederwerfung des Aufstandes der Ionier und Pacificirung Kleinasiens und der nahen Inseln (1-32).

Rückkehr des Histiäus vom Hofe des Darius zu Susa, Ankunft zu Sardes und Verdacht des Artaphernes{(1);} Flucht des Histiäus nach Chius{(2),} Umtriebe desselben{(3.4);} nach einem Vergeblichen Versuch, in Milet einzudringen, begibt er sich nach Mytilene und von da mit Mytilenäischen Schiffen nach Byzanz{(5).} Zug der Perser wider Milet{(6),} Berathungen und Gegenrüstungen der Ionier{(7-8);} Versuche der Perser, die Ionier zu entzweien{(9.10);} die Ionier übergeben dem Dionysius aus Bhocäa den Oberbefehl, werden aber dessen Strenge bald überdrüssig{(11.12),} Abfall der Samier{(13),} Niederlage der Ionier{(14.15);} Ermordung der an's Land geflüchteten Chier durch die Ephesier{(16),} Flucht des Dionysius, der nun Seeräuberei treibt{(17).} Belagerung und Eroberung von Milet{(18.19),} dessen Bewohner in's Innere Asiens abgeführt werden{(20);} Trauer um Milet zu Athen{(21).} In Folge dessen bemächtigen sich flüchtige Samier und Milesier der Stadt Zankle in Sicilien. deren Herrscher Scythes zu Darius entflieht{(22.23.24).} Samus und Karien den Persern unterwürfig{(25).} Histiäus bemächtigt sich der Insel Chius{(26.27),} eilt dann über Lesbos auf das Festland. wo er von den Persern gefangen und zu Sardes ans Kreuz geschlagen wird{(28-30).} Unterwerfung der Inseln und der übrigen Jonischen Städte durch die Perser{(31),} Bestrafung der Rebellen{(32).} Eroberung der Thracischen Chersonesus und der Thracischen Küste{(33);} die Herrschaft des Miltiades über die Chersonesus so wie seiner Nachfolger bis zur Flucht des jüngeren Miltiades nach Athen{(34-41).} Maßnahmen der Perser zur besseren Besteurung Joniens{(42).}

Zug des Mardonius wider Hellas{(43),} Unterwerfung von Thasus und eines Theils von Macedonien, Schiffbruch bei dem Berg Athos{(44);} Niederlage des Landheeres und Rückkehr nach Asien{(45);} die Thasischen Bergwerke und deren Ertrag{(46.47).}

Darius läßt die Griechen zur Unterwerfung auffordern{(48);} die Inseln, namentlich auch Aegina, erklären sich dazu bereit{(49);} Reise des Kleomenes. des Königs von Sparta. um die Aegineten darüber zur Rechenschaft zu ziehen{(50);} Umtriebe des andern Königs von Sparta, des Demaratus, gegen Kleomenes{(51).}

Ursprung des Doppelkönigthums zu Sparta und Abstammung der dorischen Könige von Perseus{(52-55).} Rechte und Ehren der spartanischen Könige im Krieg{(56)} wie im Frieden{(57)} und nach ihrem Tod{(58).} Andere spartanische Einrichtungen, den persischen und ägyptischen ähnlich{(59.60).} Die Geburt des Demaratus und die Zweifel an seiner Legitimität{(61-63),} benützt von Kleomenes in Verbindung mit Leotychides, ihn um das Königthum zu bringen{(64.65),} was durch Bestechung der Pythia mittelst eines Ausspruches des Delphischen Orakels gelingt{(66);} Beleidigung des Demaratus durch Leotychides{(67);} Demaratus beschwört seine Mutter, ihm die Wahrheit zu sagen{(68.69),} und flieht dann aus Sparta nach Elis und Zazynth und von da zu Darius{(70);} Leotychides, König an seiner Statt. und dessen Ende{(71.72).} Kleomenes und Leotychides übergeben den Athenern Aeginetische Geiseln{(73).} Kleomenes flieht aus Sparta, seine Umtriebe in Arkadien{(74),} seine Rückkehr nach Sparta und sein Lebensende{(75);} sein früherer Zug wider Argos{(76-78)} und sein Verfahren wider die in den Hain des Argus geflüchteten Argiver{(79.80),} seine Rückkehr nach Sparta. wo er ohne Erfolg vor Gericht gezogen wird{(81.82);} die Verhältnisse zu Argos{(83),} die Trunkenheit des Kleomenes{(84).} Verhandlungen wegen Zurückgabe der Aeginetischen Geiseln zu Athen{(85.86).} Wegnahme eines Athenischen Festschiffes durch die Aegineten{(87);} mißlungener Versuch des Nicodromus, Aegina in die Hände der Athener zu bringen{(88.89)} und Folgen desselben, Kämpfe zur See zwischen den Athenern und Aegineten{(90-93).}

Zug des Datis und Artaphernes, zunächst wider Eretria und Athen{(94.95);} ihr Verhalten in Naxus{(96)} und Delos{(97).} Erdbeben auf Delos{(98).} Anschluß der übrigen Inseln an die Perser, so wie von Karystus auf Euböa{(99);} Eroberung von Eretria durch die Perser{(100-101),} Vorrücken der Perser nach Marathon{(102),} Ankunft der Athener in Marathon unter Miltiades{(103.104),} Sendung nach Sparta um Hülfe, Erscheinung des Pan{(105.106);} der Traum des Hippias, der die Perser nach Marathon geführt hatte{(107).} Hülfe der Platäer{(108).} Berathungen der Athenischen Feldherren vor der Schlacht, Miltiades und Kallimachus{(109.110);} die Schlacht bei Marathon{(111-144);} vergeblicher Anschlag der Perser wider Athen{(115.116);} die beiderseitigen Verluste in der Schlacht bei Marathon und das Schicksal des Epizelus{(117);} die Rückfahrt des Datis und sein Traum{(118);} die Verpflanzung der gefangenen Eretrier in das Innere Asiens{(119).} Ankunft der Spartaner nach der Schlacht bei Marathon{(120).} Verdächtigung der Alkmäoniden{(121).} Vertheidigung derselben, als Gegner der Tyrannis des Pisistratus, schon seit Kallias' Zeit{(122-124),} Ursprung ihrer Reichthümer{(125);} ihre weitere Erhebung durch Klisthenes von Sicyon, der eine Tochter Agariste dem Megakles zur Ehe gibt, einem Ahnen des Perikles{(126-131).}

Verunglückter Zug des Miltiades wider Paros{(132-135);} Anklage und Verurtheilung des Miltiades{(136);} sein früherer Zug wider Lemnus. das die von Athen vertriebenen Pelasger besetzt hatten{(137-139),} Besitznahme der Insel (140),


Sechstes Buch. Erato.


1.

Also endigte Aristagoras, nachdem er Jonien zum Abfall gebracht hatte, sein Leben. Histiäus aber, der Herrscher von Milet, begab sich, als er von Darius entlassen war *), nach Sardes, und wie er von Susa dort angekommen war, frug ihn Artaphernes, der Statthalter von Sardes, aus welchem Grunde er wohl glaube, daß die Ionier abgefallen seien. Histiäus sagte darauf, er wisse es nicht, wunderte sich auch über das, was vorgefallen, wie er denn mit der gegenwärtigen Lage der Dinge ganz unbekannt sei. Artaphernes aber, wie er sah, daß Histiäus schlau ausweiche, sprach, eben weil er genau die Ursache des Abfalls kannte, zu ihm: Histiäus, mit dieser Sache verhält es sich also: du hast diesen Schuh genäht und Aristagoras hat ihn angezogen **).



2.

In dieser Weise äußerte sich Artaphernes über den Abfall; Histiäus aber, aus Furcht, Artaphernes wisse nun Alles, entwich mit einbrechender Nacht an das Meer und täuschte dadurch den König Darms. dem er versprochen, Sardimen, die größeste Insel, zu unterwerfen[*)] , während er nun die Anführung der Ionier im Kriege wider Darius übernahm. Als er aber nach Chius übergesetzt war, ward er von den Chiern ergriffen, welche ihn im Verdacht hatten, als komme er von Darius zu ihnen, um Unruhen zu stiften; als jedoch die Chier die ganze Sache erfahren hatten, wie er ein Feind des Königs wäre, ließen sie ihn frei.



3.-4

Hier nun wurde Histiäus von den Ioniern befragt, warum er denn so angelegentlich dem Aristagoras den Abfall vom König aufgetragen und dadurch so viel Unglück über die Ionier gebracht habe? Er wollte jedoch den wahren Grund nicht angeben, sondern erklärte ihnen, der König Darius habe den Plan gehabt, die Phönicier aus ihrem Lande wegzuführen und nach Jonien zu verpflanzen[**)] , dagegen die Ionier nach Phönicien; deßwegen habe er ihm jene Aufträge ertheilt. Dadurch setzte er allerdings die Ionier in Furcht, wiewohl der König gar Nichts der Art überhaupt beabsichtigt hatte,


***
4.

Hernach aber schickte Histiäus durch Hermippus aus Atarnä[***)] , den er als Boten nahm, Briefe an die zu Sardes befindlichen Perser, insofern diese schon vorher mit ihm über den Abfall sich besprochen hatten. Hermippus gab jedoch die Briefe nicht an diejenigen ab, an die er geschickt worden war, sondern händigte dieselben dem Artaphernes ein, welcher, nachdem er daraus Alles erfahren, dem Hermippus befahl, die Briefe von Histiäus an diejenigen abzugeben, für welche er sie mitbrachte, dagegen solle er die von den Persern an Histiäus gesendeten Antworten ihm übergeben. Als auf diese Weise die Sache offenkundig geworden war, ließ Artaphernes viele von den Persern daselbst hinrichten. So war nun zu Sardes große Unruhe.




5.

Den Histiäus aber, als er in dieser Hoffnung getäuscht worden war, brachten die Chier nach Milet zurück auf seine eigene Bitte; die Milesier aber, welche froh waren, den Aristagoras los geworden zu sein[*)] , waren keineswegs geneigt, einen andern Herrscher in ihr Land aufzunehmen, weil sie nämlich die Freiheit gekostet hatten[**)] ; und so versuchte nun Histiäus, weil es Nacht war, mit Gewalt nach Milet zurück zu kehren, ward aber von einem der Milesier am Schenkel verwundet; so kam er, wie ein aus seiner Heimath Verstoßener, wieder zurück nach Chius, und von da, abs er die Chier nicht bewegen konnte, ihm Schiffe zu geben, schiffte er über nach Mytilene und beredete die Lesbier, ihm Schiffe zu geben; diese bemannten auch acht Schiffe und segelten zugleich mit Histiäus nach Byzantium; hier aber hielten sie an und nahmen die aus dem Pontus[***)] herausfahrenden Schiffe weg, mit Ausnahme derjenigen, welche sich bereit erklärten, dem Histiäus zu folgen.



6.-8

Also machten es Histiäus und die Milesier; gegen Milet selbst aber war ein großes Land- und Sechser im Anzug. Denn die Feldherren der Perser hatten ihre Truppen zusammengezogen[†)] und zu Einem Heere vereinigt, mit welchem sie gegen Milet zogen, weil sie die übrigen Städte weniger anschlugen[††)] ; bei der Flotte waren die Phönicier die eifrigsten[†††)] , es zogen aber auch mit in's Feld die neulich erst unterworfenen Cyprier[*†)] , so wie die Cilicier und Aegypter.



7.

Diese nun zogen wider Milet und das übrige Jonien zu Felde. Als die Ionier dieß erfuhren, schickten sie von ihren Städten Abgeordnete, um Rath zu pflegen, nach Panionium[*)] , und nachdem dieselben an diesen Ort gekommen waren und mit einander sich beriethen, ward beschlossen, kein Landheer zu sammeln entgegen den Persern, sondern es sollten die Milesier selbst ihre Mauern vertheidigen, dagegen die ganze Flotte bemannt werden, ohne daß auch nur ein einziges Schiff zurückbliebe; nachdem die Schiffe bemannt seien, sollte man schleunigst bei Lade sich versammeln, um vor Milet eine Seeschlacht zu liefern; Lade ist nämlich eine kleine Insel, welche nahe bei der Stadt Miletus liegt[**)] .


***
8.

Es erschienen aber darauf mit ihren bemannten Schiffen die Ionier und mit ihnen auch von den Aeoliern[***)] die, welche Lesbus bewohnen; sie stellten sich dann in folgender Weise auf: den einen Flügel nach Osten hatten die Milesier inne, welche achtzig Schiffe stellten; an diese stießen die Prieneer mit zwölf und die Myusier mit drei Schiffen, an die Myusier stießen die Teier mit siebenzehn Schiffen, an die Teier aber die Chier mit hundert Schiffen; es reiheten sich an diese die Erythräer und Phocäer, die Erythräer, welche acht Schiffe lieferten, und die Phoeäer, welche drei stellten; an die Phocäer stießen die Lesbier mit siebenzig Schiffen; zuletzt standen in der Reihe die Samier, welche mit sechzig Schiffen den Flügel nach Westen bildeten. Die Gesammtzahl aber dieser Schiffe betrug dreihundert drei und fünfzig Dreiruderer. Dieß waren die Schiffe der Ionier.




9.-10

Dagegen betrug die Zahl der Schiffe der Barbaren sechshundert. Als auch diese gekommen waren zu dem Gebiete von Miletus und ebenso das gesammte Landheer erschien, geriethen die Feld herren der Perser, als sie von der Menge der jonischen Schiffe gehört hatten, in Furcht, sie möchten nicht im Stande sein, den Sieg zu erringen, und auf diese Weise Milet nicht erobern können, weil sie nicht Herren zur See seien, wohl aber würden sie Gefahr laufen, von Seiten des Darius schlimm wegzukommen. Sie überlegten dieß und versammelten dann die Herrscher der Ionier, welche, durch Aristagoras von Milet aus ihrer Herrschaft gestürzt[*] ), zu den Medern geflohen waren und damals den Feldzug gegen Miletus mitmachten; zu diesen von ihnen zusammenberufenen Männern, so viele deren gegenwärtig waren, sprachen sie also: Ihr Ionier! jetzt soll ein Jeder von Euch sich erweisen als einen Wohlthäter[**] ) gegen das Haus des Königs; ein Jeder von Euch nämlich soll es versuchen, seine Mitbürger von dem übrigen Bunde zu trennen. Haltet ihnen vor und gebt ihnen das Versprechen, daß ihnen kein Leid widerfahren soll wegen ihres Abfalls, und daß weder ihre Heiligthümer noch ihre eigenen Wohnungen verbrannt werden sollen, auch sollen sie es in keiner Weise härter haben wie zuvor. Wenn sie dieß aber nicht thun, sondern es durchaus auf eine Schlacht wollen ankommen lassen, so sagt zu ihnen und drohet ihnen mit dem, was sie wirklich treffen wird: besiegt im Kampfe werden sie zu Sclaven gemacht werden und ihre Söhne zu Verschnittenen[***] ), ihre Jungfrauen werden wir nach Baktra wegführen[†)] und ihr Land Andern übergeben.


***
10.

Also sprachen sie; die Herrscher der Ionier schickten in der Nacht ein Jeder zu seinen Landsleuten und ließen ihnen dieß sagen. Die Ionier aber, zu welchen auch diese Botschaften kamen, blieben fest und ließen sich in keinen Verrath ein; auch war ein Jeder der Meinung, daß ihm allein diese Botschaft von den Persern zukomme. Dieß geschah sogleich nach der Ankunft der Perser bei Miletus.




11.-12

Hernach aber, als die Ionier zu Lade sich versammelt hatten, hielten sie Zusammenkünfte und traten darin nicht nur andere Redner auf, sondern auch vornehmlich Dionysius, der Feldherr der Phocäer, welcher also sprach: Ihr Ionier! unsere Lage schwebt jetzt auf der Spitze[*)] , ob wir frei sein sollen oder Sclaven und noch dazu entlaufene! Jetzt nun, wenn ihr Mühsal auf Euch nehmen wollt, werdet ihr vorerst manche Anstrengung zu machen haben, dann aber auch im Stande sein, die Gegner zu überwinden und frei zu sein; wenn ihr aber der Schlaffheit und der Unordnung Euch hingeht, so habe ich gar keine Hoffnung für Euch, daß ihr nicht büßen müßt dem König wegen des Abfalles; darum folgt mir und vertraut Euch mir an, ich verspreche Euch, wenn die Götter uns nicht entgegen sind, die Feinde werden sich nicht in einen Kampf einlassen, oder, wenn sie es thun, den Kürzeren ziehen.


***
12.

Als die Ionier dieß gehört hatten, vertrauten sie sich dem Dionysius an; er aber ließ, um die Ruderer zu üben, die Schiffe jedesmal in einer längeren Reihe fahren und dann die Linie der Schiffe gegenseitig durchbrechen[**)] , auch die Seesoldaten die Rüstung anlegen: die übrige Zeit des Tages ließ er die Schiffe vor Anker liegen[***)] , und machte so den Ioniern Mühe den ganzen Tag hindurch. Sieben Tage lang folgten sie ihm nun und thaten, was ihnen befohlen ward; an dem darauf folgenden Tage aber sprachen die Ionier, weil sie, an solche Anstrengungen gar nicht gewöhnt, von Strapazen und von der Sonne ganz aufgerieben waren, zu einander also: Gegen welchen Gott haben wir uns vergangen, daß wir solches erdulden, da wir uns thörichten Sinnes, wie wenn wir allen Verstand verloren hätten, einem prahlerischen Menschen aus Phocäa, der nur drei Schiffe gestellt, ganz anvertraut haben; denn dieser Mensch, nachdem er uns übernommen, quält uns mit unerträglichen Qualen; Viele von uns sind bereits in Krankheiten verfallen und Viele werden wohl bald das Gleiche zu erwarten haben. Statt solcher Uebel ist es für uns besser, alles Andere zu erdulden und selbst die bevorstehende Knechtschaft zu ertragen, wie sie auch nur sein mag, eher als der gegenwärtigen zu erliegen. Wohlan, fernerhin wollen wir ihm nicht mehr gehorchen. Dieses sprachen sie, und sofort wollte Niemand mehr gehorchen, sondern, wie wenn sie zu Lande dienten, schlugen sie auf der Insel Zelte auf und lagen darin im Schatten[*)] , auch wollten sie weder in die Schiffe steigen, noch den Uebungen sich unterziehen.




13.

Wie die Feldherren der Samier das, was von Seiten der Ionier geschah, erfuhren, nahmen sie die Vorschläge auf, welche Aeaces[**] ), des Syloson Sohn, schon früher ihnen hatte zugehen lassen, indem er, in Folge einer Aufforderung der Perser, sie bat, das Bündniß der Ionier zu verlassen, weil sie einerseits die große Unordnung bei den Ioniern bemerkten, und dann auch es ihnen unmöglich schien, die Macht des Königs zu überwinden, zumal sie wohl wußten, daß, wenn dieß auch bei der gegenwärtigen Flotte des Darius ihnen gelänge, eine andere fünfmal stärkere erscheinen werde. Sie ergriffen also den Vorwand, so wie sie sahen, daß die Ionier nichts Tüchtiges leisten wollten, und erachteten es für einen Gewinn, ihre Heiligthümer, wie ihre eigenen Wohnungen zu retten. Der Aeaces aber, dessen Vorschläge die Samier annahmen, war der Sohn des Syloson, des Sohnes des Aeaces; als Herrscher von Samus war er von Aristagoras von Milet seiner Herrschaft entsetzt worden, so gut wie die übrigen Herrscher in Jonien[***)] .



14.-15

Als nun damals die Phönicier heranschifften, fuhren die Ionier ihnen ebenfalls entgegen mit ihren Schiffen in einer langen Linie; wie sie einander nahe gekommen waren und auf einander stürmten, von da an vermag ich nicht genau anzugeben, welche von den Ioniern sich schlecht oder tapfer hielten in dieser Seeschlacht, denn die einen werfen die Schuld auf die andern; den Samiern sagt man aber nach, sie hätten hier, gemäß der Verabredung mit Aeaces, die Segel aufgespannt und wären aus der Schlachtreihe nach Samus weggefahren, mit Ausnahme von elf Schiffen, deren Befehlshaber blieben und die Schlacht mitkämpften, wider den Befehl ihrer Vorgesetzten. Und es gestattete ihnen der Staat der Samier, um dieser That willen, ihre Namen nebst denen ihrer Väter auf eine Säule[*)] einzeichnen zu lassen, weil sie tapfere Männer gewesen wären, und steht diese Säule noch auf dem Markte[**] ). Aber auch die Lesbier, wie sie sahen, daß die ihnen zunächst Stehenden die Flucht ergriffen, thaten dasselbe, was die Samier, und auch die Mehrzahl der Ionier that das Gleiche.


***
15.

Von denen, welche in der Seeschlacht ausgeharrt, wurden die Chier am schlimmsten zugerichtet, wiewohl sie glänzende Thaten verrichteten und sich nicht feige zeigten. Sie hatten nämlich, wie schon vorher bemerkt worden[***] ), hundert Schiffe gestellt, und auf jedes derselben vierzig auserwählte Soldaten von ihren Bürgern. Als sie nun sahen, wie die meisten ihrer Verbündeten sie im Stiche ließen, wollten sie doch nicht diesen Feiglingen gleich sein, sondern vereinzelt mit nur wenigen Bundesgenossen durchbrachen sie die Linie und kämpften zur See so lange, bis sie, nachdem sie viele Schiffe der Feinde gewonnen, die Mehrzahl, der eigenen Schiffe verloren. Mit den übrigen Schiffen flohen dann die Chier in ihre Heimath.




16.

Diejenigen aber von den Chiern, deren Schiffe in Folge der erlittenen Beschädigungen dazu nicht im Stande waren, ergriffen, als sie verfolgt wurden, die Flucht nach Mykale[†)] und ließen hier die Schiffe auf den Strand laufen, verließen darauf dieselben und zogen zu Fuß weiter durch das feste Land. Als die Chier auf diesem Zuge das Gebiet von Ephesus betraten, und in der Nacht ankamen, als gerade die Weiber dorten das Fest der Thesmophorien *[)] feierten, glaubten die Ephesier, die gar nicht vorher gehört hatten, wie es mit den Chiern stand, und nun ein Heer in ihr Gebiet einrücken sahen, ganz fest, daß es Räuber seien, die es auf ihre Weiber abgesehen; sie zogen daher mit aller Macht aus der Stadt und erschlugen die Chier. Diese nun erlagen einem solchen Schicksal.



17.

Dionysius von Phocäa aber, als er bemerkte, daß die Sache der Ionier verloren sei, schiffte, nachdem er drei feindliche Schiffe genommen hatte, nicht mehr nach Phocäa zurück, weil er wohl wußte, er werde mit dem übrigen Jonien in die Sclaverei gerathen, sondern unverweilt, wie er da war, segelte er nach Phönicien[**] ); hier versenkte er Kauffahrer in den Grund, nahm viel Geld weg und schiffte dann nach Sicilien; von hier aus trieb er Seeräuberei, aber wider keinen Hellenen, sondern wider Carthager und Tyrsenier.



18.-19

Die Perser aber, nachdem sie die Ionier in der Seeschlacht besiegt, belagerten darauf Milet zu Wasser und zu Land, untergruben die Mauern, wendeten mancherlei Kriegsmaschinen an und nahmen so mit Gewalt im sechsten Jahre nach dem Abfall des Aristagoras die Stadt ein[***] ) , deren Bewohner sie zu Sclaven machten, so daß ihr Unglück zusammentraf mit dem Orakelspruch, der in Bezug auf Milet gegeben war.


***
19.

Die Argiver nämlich, die sich wegen der Wohlfahrt ihrer eigenen Stadt an das Orakel zu Delphi wendeten, erhielten einen gemeinsamen Spruch, welcher wohl auf die Argiver selbst sich bezog, dann aber auch einen Zusatz in Bezug auf Miletus enthielt. Den Spruch, soweit er nun auf die Argiver sich bezieht, werde ich dann angeben, wenn ich auf diesen Punkt der Erzählung gelangt bin; was aber der Gott den nicht anwesenden Milesiern weissagte, lautet also:

Dann wirst du, o Milet, die Stifterin vielfachen Unheils[*] ),
Vielen bereiten ein Mahl und zu herrlicher Gabe gereichen,
Und viel Bärtigen werden die Füße dann waschen die Weiber[**] ),
Aber des Tempels zu Didymö[***] ) werden dann pflegen wohl
Andre.

Damals nun traf dieß den Milesiern ein, insofern die Mehrzahl der Männer von den Persern, welche bärtig waren, erschlagen wurden, Weiber und Kinder aber in die Sclaverei kamen, und das Heiligthum zu Didymö, der Tempel wie das Orakel, geplündert und verbrannt ward. Der Schätze, welche in diesem Heiligthum sich befanden, habe ich mehrmals an andern Stellen dieser Geschichte gedacht[†)][.]




20.

Diejenigen Milesier, welche lebendig gefangen worden waren, wurden nach Susa abgeführt; der König Darius that ihnen aber weiter kein Leid an, sondern gab ihnen Wohnsitze[††)] an dem sogenannten rothen Meere[†††)] bei der Stadt Ampe, an welcher der Tigris vorbeiflieht, der sich dann in das Meer ergießt. Von dem Milesischen Gebiete behielten die Perser selbst Alles, was um die Stadt herumliegt sammt der Ebene, die gebirgigen Strecken aber gaben sie den Kariern zu Pedesa[*†)] in Besitz,



21.

Während die Milesier[*] ) dieß von den Persern zu erdulden hatten, vergalten ihnen nicht das Gleiche die Sybariten[**] ), welche, nachdem sie ihrer Stadt beraubt waren, Laus und Scidrus bewohnten. Als nämlich Sybaris von den Krotoniaten erobert war, scharen die Milesier, alle ohne Ausnahme, sich das Haupthaar ab und trugen großes Leid; denn es waren diese Städte unter denen, die wir kennen, am innigsten durch Gastfreundschaft mit einander verbunden[***] ). Nicht anders machten es auch die Athener. Die Athener nämlich gaben ihren großen Kummer über die Einnahme von Milet nicht nur auf mannigfache andere Weise zu erkennen, sondern auch dadurch, daß, als Phrynichus ein von ihm gedichtetes Stück: die Eroberung von Milet, auf die Bühne brachte[*] ), die ganze Versammlung in Thränen zerfloß; in Folge dessen legten sie dem Dichter, weil er die Athener an ihr eigenes Unglück erinnert habe[**] ), eine Buße von tausend Drachmen[***] ) auf, und verfügten weiter, daß Niemand mehr dieses Stück aufführe.



22.-24

Miletus war also ganz leer von Milesiern. Denjenigen Samiern aber, welche vermöglich waren[†)] , gefiel durchaus nicht, was von Seiten ihrer Feldherren in Bezug auf die Meder geschehen war; sogleich nach der Seeschlacht beriethen sie sich mit einander und faßten den Beschluß, ehe der Herrscher Aeaces in das Land gekommen, wegzuschiffen zur Gründung einer Kolonie und nicht zu bleiben, um in die Sclaverei der Meder und des Aeaces zu kommen. Die Zankläer[*] ) nämlich in Sicilien schickten zu derselben Zeit Boten nach Jonien und luden die Ionier ein nach Kale Akte, wo sie eine Stadt der Ionier gründen wollten. Dieser Ort, welcher Kale Akte[**] heißt, gehört den Siculern ) und befindet sich in dem Theile Siciliens, welcher nach Tyrsenien zu liegt. Auf diese Einladung nun machten die Samier sich auf den Weg allein unter den Ioniern, und mit ihnen diejenigen Milesier, welche entkommen waren.


***
23.

Während dem trug sich nun Folgendes zu. Zu der Zeit nämlich, als die Samier auf ihrer Fahrt bei den Epizephyrischen Lokrern angelangt waren, belagerten die Zankläer, sie selbst und ihr König, welcher Scythes hieß, eine Stadt der Sikuler, welche sie erobern wollten. Wie dieß Anaxilas, der Herrscher von Rhegium[†] ), welcher damals mit den Zankläern in Feindschaft war, erfuhr, so ließ er sich mit den Samiern in ein Gespräch ein und beredete sie, wie es für sie besser sei, Kale Akte, zu dem sie fahren wollten, gehen zu lassen und lieber Zankle zu besehen, das von Männern entblößt wäre. Die Samier folgten, und da sie Zankte besetzten, eilten die Zankläer, als sie erfuhren, daß ihre Stadt beseht sei, ihrer Befreiung herbei und riefen den Hippokrates, den Herrscher von Gela[††] ), zur Hülfe, weil dieser ihr Verbündeter war. Als nun auch Hippokrates mit seinem Heere ihnen zu Hülfe gekommen war, so legte er den Scythes, den Alleinherrscher von Zankte, weil er seine Stadt verloren hatte, sowie dessen Bruder Pythogenes in Bande und ließ sie nach der Stadt Inycus[*] ) bringen, die übrigen Zankläer aber gab er, nachdem er mit den Samiern sich verständigt und beide Theile den Vertrag eidlich bestätigt hatten, gänzlich preis; es war ihm nämlich von den Samiern folgender Lohn zugesagt worden: er solle von allen Geräthschaften und Sclaven in der Stadt die Hälfte erhalten, was aber auf dem Felde sei, solle Alles dem Hippokrates zufallen. Die Mehrzahl der Zankläer nun nahm er selbst als Sclaven und legte sie in Banden, die Häupter derselben[**] ) aber, dreihundert an der Zahl, übergab er den Samiern zur Hinrichtung; die Samier jedoch vollzogen dieß nicht.



***
24.

Scythes aber, der Alleinherrscher der Zankläer, entlief aus Inycus nach Himera[***] ), und von da kam er nach Asien[†)] , wo er zum König Darius sich begab. Und Darius war der Ansicht, daß er der gerechteste unter den Männern sei, welche aus Hellas zu ihm gereist wären; denn er hatte sich mit Erlaubniß des Königs nach Sicilien begeben und kehrte aus Sicilien wieder zurück zum König, bis er im Alter und bei großem Reichthum in Persien starb.




25.

So waren Samier frei von den Medern geworden und hatten ohne Kampf die sehr schöne Stadt Zankle gewonnen. Nach jener Seeschlacht aber, welche vor Milet stattgefunden[††)] , führten die Phönicier auf Geheiß der Peiser den Aeaces, den Sohn des Syloson, nach Samus zurück, weil er ihnen viel werth geworden war und große Dienste geleistet hatte. Auch waren die Samier unter den von Darius Abgefallenen die Einzigen, welchen, wegen des Entweichens ihrer Schiffe in der Seeschlacht, weder die Stadt noch die Heiligthümer verbrannt wurden. Nach der Eroberung von Milet besetzten die Peiser sogleich Karien, dessen Städte zum Theil freiwillig sich unter das Joch beugten, während ein anderer Theil mit Gewalt dazu gebracht ward. Dieß geschah nun also.



26.-27

Dem Histiäus von Milet, welcher bei Byzanz sich befand und die Lastschiffe der Ionier, welche aus dem Pontus herausschifften, wegnahm[*] ), wurde das, was bei Miletus vorgefallen, gemeldet; er übertrug nun die Angelegenheiten, welche auf den Hellespont sich bezogen, dem Bisaltes, dem Sohne des Apallophanes aus Abydus, und schiffte selbst mit den Lesbiern, die er bei sich hatte, nach Chius, und als die Wache der Chier ihn nicht zulassen wollte, so fiel er an einem Orte des Landes der Chier, welcher die Höhlungen[**] ) heißt, über sie her und erschlug viele von ihnen; auch der übrigen Chier, die so übel zugerichtet aus der Seeschlacht gekommen waren, ward Histiäus mit den Lesbiern, die er bei sich hatte, Meister, von Polichne im Lande der Chier ausziehend.


***
27.

Es pflegt aber wohl irgend ein Vorzeichen zu geschehen, wenn eine Stadt oder ein Volk großes Unglück treffen soll[***] ), und so waren denn auch den Chiern vorher große Zeichen geschehen. Als sie nämlich nach Delphi einen Chor von hundert Jünglingen gesendet hatten, so kamen nur zwei von denselben zurück, die andern achtundneunzig hatte die Pest befallen und hinweggerafft; dann zu derselben Zeit kurz vor der Seeschlacht stürzte in der Stadt, während die Knaben in der Schule unterrichtet wurden[†] ), die Decke über ihnen ein, so daß von hundertundzwanzig Knaben nur ein einziger entkam. Diese Zeichen gab ihnen die Gottheit; hernach kam unmittelbar die Seeschlacht, welche die Stadt gänzlich herunterbrachte, auf die Seeschlacht erschien Histiäus mit den Lesbiern, welcher, da die Chier so sehr gelitten hatten, mit Leichtigkeit die Unterwerfung derselben bewerkstelligte.




28.-30

Von da zog Histiäus wider Thasus[*] ) zu Felde, er hatte viele Ionier und Aeolier bei sich. Wie er aber um Thasus lag, kam die Nachricht, daß die Phönicier von Milet aus abgesegelt wären zur Unterwerfung des übrigen Joniens. Auf diese Nachricht verließ er Thasus, das noch nicht unterworfen war, und eilte selber mit seinem ganzen Heere nach Lesbus; von Lesbus aber setzte er, da sein Heer Mangel litt, hinüber auf das jenseitige Land, um von dem Atarnischen Gebiet[**] ) die Frucht einzuernten, sowohl von da, als aus der Kaikischen Ebene[***] ) im Lande der Myser. In diesen Gegenden verweilte aber gerade Harpagus[†] ), ein Perser und Feldherr eines nicht geringen Heeres, welcher über ihn fiel, als er an's Land gestiegen war, und den Histiäus selbst lebend gefangen nahm, den größeren Theil seines Heeres aber vernichtete.


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29.

Histiäus wurde auf folgende Weise gefangen genommen. Als die Hellenen mit den Persern Malene im Atarnitischen Gebiete kämpften, so hielten sie längere Zeit aus, bis hernach die Reiterei anrückte und über die Hellenen fiel. Damals also war es das Werk der Reiterei. Wie nun die Hellenen die Flucht ergriffen hatten, so suchte Histiäus, welcher nicht daran dachte, daß ihn der König wegen seines gegenwärtigen Vergehens werde hinrichten lassen, sein Leben auf folgende Weise zu erhalten: als er auf der Flucht von einem Perser eingeholt wurde und, von diesem ergriffen, durchbohrt werden sollte, sing er an Persisch zu sprechen und gab sich zu erkennen, daß er Histiäus von Milet wäre.



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30.

Wäre er nun, sowie er gefangen genommen worden, sogleich zu dem König Darius gebracht worden, so würde dieser, wie ich glaube, ihm kein Leid angethan, sondern ihm seine Schuld erlassen haben. So aber ließen Artaphernes, der Statthalter von Sardes, und Harpagus, der ihn gefangen genommen, ihn eben deßwegen und damit er nicht davon käme und dann wiederum mächtig würde bei dem Könige, nach Sardes bringen, und als er dort angekommen, seinen Leib ebendaselbst an's Kreuz schlagen, seinen Kopf aber balsamirten sie ein und brachten ihn nach Susa zum Könige. Wie Darius dieß erfuhr, machte er denen, die dieß gethan, Vorwürfe, daß sie den Histiäus nicht lebend vor sein Angesicht gebracht, und trug ihnen auf, das Haupt des Histiäus zu waschen, wohl herzurichten und dann zu bestatten, weil er ein Mann gewesen, der um ihn und um die Perser sich sehr verdient gemacht habe[*] ). Also verhielt es sich nun mit Histiäus.




31.

Die Flotte der Perser, nachdem sie bei Milet überwintert hatte, lief dann im zweiten Jahre wieder aus und nahm mit Leichtigkeit die Inseln, die nahe bei dem festen Lande liegen, Chius, Lesbus und Tenedus. Jedesmal wenn sie eine dieser Inseln nahmen, so machten die Barbaren eine Jagd auf die Menschen, welche sie mit einem Netz umgarnten[**] ). Diese Jagd machen sie auf folgende Art: Ein Mann faßt den andern an der Hand und so geht es in einer Reihe fort vom nördlichen Meere bis zu dem südlichen, hernach ziehen sie durch die ganze Insel und machen auf diese Weise Jagd auf Menschen. Auch die übrigen Städte der Ionier auf dem festen Lande eroberten sie auf dieselbe Weise, nur umgarnten sie nicht die Menschen, weil es hier nicht möglich war.



32.

Hier erfüllten die Feldherren der Perser die Drohungen, welche sie gegen die Ionier ausgestoßen hatten[***] ), als diese ihnen gegenüber zu Felde lagen. Als sie nämlich Herren der Städte geworden waren, wählten sie die schönsten Knaben aus und ließen sie verschneiden, und wurden aus Zeugungsfähigen Verschnittene gemacht; auch die schönsten Jungfrauen schleppten sie weg zum König; wie sie dieses thaten, steckten sie dann die Städte in Brand sammt den Heiligthümern. So wurden nun die Ionier zum drittenmal in Knechtschaft gebracht, erstmals durch die Lyder[*] ), und zweimal[**] ) nacheinander damals durch die Perser,



33.

Von Jonien aber entfernte sich dann die Flotte und nahm Alles weg, was am Hellespont liegt, auf der linken Seite[***] ), wenn man einfährt; denn was auf der rechten Seite[†)] liegt, war bereits den Persern unterworfen auf dem festen Lande. Es liegen aber auf der europäischen Seite des Hellespont folgende Orte: Chersonesus[††)] , worin zahlreiche Städte liegen, Perinthus[†††)] . die an der Thracischen Küste erbauten Festen[*†)] , Selybria und Byzantium[**†)] . Die Byzantier nun und die ihnen gegenüber wohnenden Chalcedonier warteten gar nicht, bis die Phönicier herankamen, sondern verließen ihr Land und eilten nach innen dem schwarzen Meere zu, wo sie die Stadt Mesambria[*] ) gründeten. Die Phönicier aber, nachdem sie die genannten Orte verbrannt hatten, wendeten sich nach Proconnesus und Artace[**] ), welche sie ebenfalls in Brand steckten, und darauf schifften sie wieder nach der Chersonesus, um die übrigen Städte wegzunehmen, welche sie bei dem früheren Angriff nicht verheert hatten. Wider Cyzicum[***] ) schifften sie jedoch gar nicht; denn die Cyzicener selber waren schon vor der Ankunft der Phönicier dem König unterthan geworden, in Folge einer Uebereinkunft mit Oebares, dem Sohne des Megabyzus, dem Statthalter zu Dascylium[†)] . So hatten die Phönicier alle übrigen Städte der Chersonesus, mit Ausnahme der Stadt Kardia[††)] , in ihre Gewalt bekommen.



34.-41

Ueber diese Städte herrschte bis zu dieser Zeit Miltiades, der Sohn des Cimon, des Sohnes des Stesagoras, nachdem früher schon Miltiades, des Cypselus Sohn, diese Herrschaft auf folgende Weise an sich gebracht hatte. Thracische Dolonker[†††] ) hatten diese Chersonesus inne: diese Dolonker, von den Apsinthiern durch einen Krieg bedrängt, schickten ihre Fürsten nach Delphi, um hinsichtlich des Krieges das Orakel zu befragen. Da gab ihnen die Pythia die Antwort, sie sollten in ihr Land als Gründer[*†)] den berufen, welcher sie bei dem Austritt aus dem Tempel zuerst zur Gastfreundschaft einladen würde. Die Dolonker zogen darauf die heilige Straße[*)] durch das Land der Phoker und Böotier, und da sie Niemand einlud, schlugen sie den Weg nach Athen ein,


***
35.

In Athen hatte damals Pisistratus alle Macht in Händen; aber auch Miltiades, des Cypselus Sohn, stand im Ansehen, da er aus einem Hause war, welches ein Viergespann hielt, und ursprünglich von Aeacus und der Aegina abstammte[***] ); nach seinen jüngeren Ahnen war er aber ein Athener, seit Piläus, der Sohn des Aias, zuerst aus diesem Hause ein Athener geworden war. Dieser Miltiades saß in der Vorhalle[†)] seines Hauses, und wie er die Dolonker vorübergehen sah in einer nicht inländischen Tracht und mit ihren Speeren[††] ), so rief er sie an, und als sie zu ihm herankamen, bot er ihnen eine Unterkunft und Gastfreundschaft an. Diese nahmen es an, und wie sie von ihm gastlich aufgenommen waren, offenbarten sie ihm den ganzen Götterspruch, und als sie dieß gethan, baten sie ihn, dem Gotte Folge zu leisten. Miltiades, als er dieß gehört, ließ sich sogleich durch diese Rede bewegen, weil er über des Pisistratus Herrschaft ärgerlich war und ihr aus dem Wege zu gehen wünschte. Er machte sich daher sogleich auf den Weg nach Delphi, um das Orakel zu befragen, ob er das thun könne, was die Dolonker von ihm verlangten.



***
36.

Als aber auch die Pythia ihn dazu aufforderte, da schiffte sich Miltiades, der Sohn des Cypselus, der vor diesem Ereigniß in den olympischen Spielen mit einem Viergespann einen Sieg errungen hatte, und damals jeden Athener, der an dem Zuge Antheil nehmen wollte, mitnahm, zugleich mit den Dolonkern ein und besetzte auch das Land, zu dessen Herrscher ihn die, welche ihn herbeigerufen, einsetzten Er schloß nun zuerst die Spitze der Chersonesus von der Stadt Kardia[*] ) bis nach Paktya durch eine Mauer ab, damit die Apsinthier keinen Einfall in das Land machen und demselben Schaden zufügen könnten. Die Breite dieser Strecke der Halbinsel beträgt sechsunddreißig Stadien[**] **); von dieser Strecke an beträgt die ganze Länge der Halbinsel noch vierhundert und zwanzig[***] ) Stadien.



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37.

Nachdem nun Miltiades den ganzen Rücken der Halbinsel durch eine Mauer abgesperrt und die Apsinthier auf solche Weise zurückgehalten hatte, so bekriegte er unter den Uebrigen zuerst die Lampsacener[†)] ; diese aber legten ihm einen Hinterhalt und nahmen ihn lebendig gefangen. Es war aber Miltiades mit Krösus, dem Lydier, nahe bekannt geworden, und dieser, sowie er es hörte, schickte zu den Lampsacenern und forderte sie auf, den Miltiades freizulassen, wo nicht, so drohete er, er werde sie vertilgen wie einen Fichtenstamm. Als aber die Lampsacener in ihren Reden ungewiß darüber waren, was das Wort bedeuten solle, womit Krösus ihnen gedroht hatte, er werde sie vertilgen wie einen Fichtenstamm[*)] , so trat einer der Aelteren, als er dieß kaum vernommen hatte; auf und gab ihnen das Wahre an, daß die Fichte allein unter allen Bäumen, wenn sie abgehauen sei, keinen Sproß mehr treibe, sondern gänzlich verderbe und zu Grunde gehe. Darauf gaben die Lampsacener, aus Furcht vor Krösus, den Miltiades frei und entließen ihn.



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38.

So kam nun dieser durch des Krösus Hülfe davon; er starb hernach kinderlos, nachdem er die Herrschaft und sein Vermögen dem Stesagoras, dem Sohne des Cimon, seines Bruders von derselben Mutter, übergeben hatte. Und nach seinem Tode bringen ihm die Chersoniten Opfer, wie es die Sitte ist bei einem Gründer einer Kolonie, und stellen ihm zu Ehren einen Wettkampf an, mit Wagen sowohl als mit Turnen; keinem Lampsacener jedoch ist es gestattet, am Kampfe theilzunehmen. Während eines Krieges aber mit den Lampsacenern traf der Tod auch den Stesagoras, der kinderlos war, und mit einem Beile auf den Kopf getroffen war in dem Rathhaus von einem Manne, der sich für einen Ueberläufer ausgab, aber in der That sein Feind und gegen ihn aufgebracht war.



***
39.

Als auch Stesagoras auf solche Weise sein Leben geendigt, schickten die Pisistratiden den Miltiades, den Sohn des Cimon und Bruder des gestorbenen Stesagoras, auf einem Dreiruderer nach der Chersonesus, uni die Regierung zu übernehmen. Diese nämlich erwiesen ihm auch zu Athen Gutes, wie wenn sie gar nichts wüßten von dem Tode seines Vaters Cimon, worüber ich an einer andern Stelle[**] ) das Nähere angeben werde. Als nun Miltiades nach der Chersonefus gekommen war, hielt er sich zu Hause, wie wenn er da durch seinen Bruder Stesagoras ehren wolle. Wie dieß die Chersonesiten erfuhren, so kamen von allen den Städten die Angesehenen aller Orten zusammen und begaben sich gemeinsam zu Miltiades, um ihm ihr Beileid zu bezeugen, wurden aber von ihm gefangen genommen. Und so kam Miltiades in den Besitz der Chersonesus, indem er fünfhundert Söldner unterhielt; auch heirathete er die Hegesipyle[*] ), die Tochter des thrakischen Königs Olorus.



***
40.

Dieser Miltiades, des Cimon Sohn, war eben erst nach der Chersonesus gekommen, als er in eine noch schwierigere Lage gerieth, wie die, in welche er nun kam. Denn im dritten Jahre zuvor mußte er vor den nomadischen Scythen fliehen, welche, veranlaßt durch den König Darius, sich zusammengethan und bis zu dieser Chersonesus gezogen waren; da floh Miltiades, ohne ihren Angriff abzuwarten, aus der Chersonesus, bis die Scythen sich wieder entfernt hatten und die Dolonker ihn wieder zurückführten. Dieses nun war drei Jahre geschehen vor dem, was ihn jetzt betraf.



***
41.

Damals nämlich, auf die Nachricht, daß die Phönicier bei Tenedus seien[**] ), belud er fünf Dreiruderer mit allen seinen Schätzen und schiffte fort nach Athen; wie er nun von der Stadt Kardia abgefahren war, schiffte er durch den Melas-Busen[***] ) und fuhr an der Chersonesus vorbei, wo die Phönicier mit ihren Schiffen über ihn fielen. Miltiades selbst entfloh mit vier seiner Schiffe nach Imbrus[†)] , das fünfte aber holten die Phönicier auf der Verfolgung ein. Dieses Schiff aber befehligte Metiochus, der älteste von den Söhnen des Miltiades, welcher nicht von der Tochter des thracischen Königs Olorus, sondern von einem andern Weibe geboren war; diesen nahmen nun die Phönicier sammt dem Schiffe gefangen, und als sie erfuhren, daß er des Miltiades Sohn sei, so brachten sie ihn zum König, in der Erwartung, großen Dank damit einzulegen, weil nämlich Miltiades es war, welcher unter den Fürsten der Ionier[*] ) dahin seine Meinung abgegeben hatte, daß er sie aufforderte, den Scythen zu folgen, als diese von ihnen verlangten, sie sollten die Brücke abbrechen und nach Hause abfahren. Aber Darius, als die Phönicier den Metiochus, den Sohn des Miltiades, zu ihm gebracht hatten, that dem Metiochus durchaus kein Leid an, sondern erwies ihm vieles Gute[**] ): er gab ihm nämlich eine Wohnung und ein Besitztum, sowie ein persisches Weib, von welcher ihm Kinder geboren wurden, welche zu den Persern gezählt werden. Miltiades aber gelangte von Imbrus nach Athen.




42.

Es fanden in diesem Jahre[***] ) keine weiteren Feindseligkeiten von Seiten der Perser wider die Ionier statt, wohl aber geschah in diesem Jahre Folgendes zum großen Nutzen der Ionier; Artaphernes, der Statthalter von Sardes, ließ aus den Städten Abgeordnete zu sich entbieten und nöthigte die Ionier, Verträge unter einander abzuschließen, daß sie gegenseitig einander zu Recht stehen und sich nicht gegenseitig berauben und plündern wollten. Dieses zwang er sie zu thun, und dann ließ er ihr Land ausmessen nach Parasangen, welches die persische Bezeichnung für ein Maß von dreißig Stadien[†] ), und nach dieser Messung legte er Jedem eine Abgabe auf, welche auf dem Land seit dieser Zeit bis auf meine Zeit immer geblieben ist, weil sie von Artaphernes aufgelegt worden ist: es wurde aber die Abgabe fast auf denselben Betrag angesetzt, den sie schon früher hatte[††] ). Und war dieß für sie ein Akt des Friedens.



43.

Zugleich mit dem Frühjahr[*] ) aber, als die übrigen Feldherren vom König entlassen waren, zog Mardonius, des Gobryas[**] ) Sohn, an das Meer mit einem zahlreichen Landheer und einer zahlreichen Flotte, ein an Jahren noch junger Mann, der eben erst die Artazostre, die Tochter des Königs Darius, geheirathet hatte. Als nun Mardonius mit diesem Heere in Cilicien angekommen war, stieg er selbst zu Schiffe und machte die Reise zugleich mit den übrigen Schiffen, während andere Feldherren das Landheer nach dem Hellespont führten. Wie nun Mardonius auf seiner Fahrt längs der Küste von Asien nach Jonien gekommen war, da geschah Etwas, was ich zur großen Verwunderung auch derjenigen Hellenen erzählen will, die es nicht glauben wollen, daß Otanes den sieben Persern angerathen, sie sollten eine Volksherrschaft in Persien einführen[***] ). Mardonius nämlich setzte alle die Herrscher der Ionier ab und führte dagegen in den Städten eine Volksherrschaft ein[†] ); nachdem er dieß gethan hatte; eilte er nach dem Hellespont. Als aber eine große Masse von Schiffen zusammengebracht war und auch ein zahlreiches Landheer sich versammelt hatte, setzten sie auf ihren Schiffen über den Hellespont, und zogen dann weiter durch Europa fort; sie zogen nämlich wider Eretria und Athen[*] ).



44.

Diese beiden Städte dienten ihnen nämlich zum Vorwand des Zuges; sie hatten aber im Sinne, so viele hellenische Städte, als sie nur könnten, zu unterwerfen; und daher unterwarfen sie zuerst mit ihrer Flotte die Thasier, welche auch nicht die Hand wider sie erhoben, dann machten sie mittels des Landheeres die Macedonier sich unterthan und fügten sie denen bei, welche bereits unter ihre Herrschaft gekommen waren, denn die Völker vor den Macedoniern waren alle ihnen schon unterwürfig geworden[**] ). . Von Thasus nun setzten sie herüber und fuhren längs des festen Landes bis Akanthus[***] ), von Akanthus aus schifften sie dann um den Athos[†)] herum. Bei dieser Fahrt uni den Berg überfiel sie ein gewaltiger und unwiderstehlicher Nordwind, welcher die Mehrzahl der Schiffe arg zurichtete; indem er sie an den Athos warf. Denn es sollen an dreihundert Schiffe hier zu Grunde gegangen sein und über zwanzigtausend Menschen. Da nämlich dieses Meer um den Berg Athos voll von wilden Thieren[††] ) ist, so kamen viele um, welche von den wilden Thieren weggeschleppt wurden, Andere aber wurden an den Felsen zerschmettert, Andere auch, welche nicht schwimmen konnten, gingen auf diese Weise zu Grunde, Andere durch Kälte. Also erging es der Flotte.



45.

Den Mardonius aber, welcher mit dem Landheer in Macedonien gelagert war, griffen die thrancichen Bryger[*] ) in der Nacht an und erschlugen viele der Perser, den Mardonius selbst verwundeten sie. Jedoch entgingen auch sie nicht der persischen Knechtschaft; denn Mardonius brach nicht eher aus diesen Gegenden auf, als bis er sie unterworfen hatte. Nach der Unterwerfung derselben führte er sein Heer zurück, weil sein Landheer bei den Brygern sehr gelitten und die Flotte große Verluste erlitten hatte bei der Fahrt um den Athos. So kehrte nun dieses Heer nach schimpflichem Kampfe zurück nach Asien.



46.-47

Im zweiten Jahre darauf[**] ) schickte Darius zuerst einen Boten zu den Thasiern, welche von ihren Nachbarn verleumdet waren, als beabsichtigten sie einen Abfall, und forderte sie auf, ihre Mauer niederzureißen und ihre Schiffe nach Abdera[***] ) zu bringen. Die Thasier nämlich hatten in Folge der Belagerung, welche sie von Histiäus von Milet ausgestanden, die Mittel, welche ihre bedeutenden Einkünfte abwarfen, dazu benutzt, lange Schiffe[†)] zu bauen und mit einer stärkeren Mauer sich zu umgeben. Die Einkünfte bezogen sie aber aus dem festen Lande[*] ) wie von den Bergwerken; von den Goldbergwerken aus Scapte Hyle nämlich gingen ihnen ein im Ganzen achtzig[**] ) Talente, von denen auf der Insel Thasus selbst etwas weniger als dieß, aber doch immer so viel, daß im Ganzen von Thasiern, welche keine Abgabe von dem Ertrag ihrer Felder entrichteten[***] ), aus dem Festlande und von den Bergwerken jedes Jahr zweihundert[†)] Talente, wenn es aber auf's Höchste kam, dreihundert Talente eingingen,


***
47.

Ich sah selbst diese Bergwerke[††] ), von welchen bei weitem die bewunderungswürdigsten diejenigen waren, welche die Phönicier entdeckt hatten, welche mit Thasus auf dieser Insel sich niederließen, welche jetzt nach eben diesem Phönicier Thasus den Namen erhalten hat. Diese phönicischen Bergwerke liegen auf Thasus zwischen einem Orte, welcher Aenyra heißt und Cönyra[*)] , gegenüber von Samothrace, an einem großen Berge, der bei der Nachforschung (nach Gold) ganz umgekehrt worden ist. Damit verhält es sich nun also. Die Thasier aber rißen auf jenen Befehl des Königs ihre Mauer nieder und brachten ebenso alle ihre Schiffe nach Abdera.




48.

Nach diesem stellte Darius die Hellenen auf die Probe, was sie im Sinne hätten, ob sie gedächten mit ihm Krieg zu führen, oder sich ihm zu ergeben. Er schickte nun Herolde[**] ) durch ganz Hellas mit seinen Aufträgen, den einen dahin, den andern dorthin, und ließ durch sie für den König Wasser und Erde[***] ) verlangen. Diese schickte er nun nach Hellas und andere Herolde schickte er ebenso in die ihm zinspflichtigen, am Meere gelegenen Städte, und forderte sie auf, lange Schiffe[†)] und Fahrzeuge für den Transport der Pferde bauen zu lassen.



49.

Diese rüsteten nun sofort dieselben aus; auch den Herolden, welche nach Hellas gekommen waren, übergaben Viele der Bewohner des festen Landes was der Perser verlangte, insbesondere thaten dieß alle Inselbewohner, zu welchen sie mit dieser Forderung gekommen waren. Die übrigen Inselbewohner nun gaben dem Darius Erde und Wasser, insbesondere auch die Aegineten[††)] . Kaum aber hatten sie dieß gethan, so waren sogleich die Athener hinter ihnen, welche meinten, die Aegineten hätten aus Feindschaft wider sie dem Perser sich übergeben, um zugleich mit diesem sie zu bekriegen; sie ergriffen daher gern den Vorwand und gingen nach Sparta, wo sie die Aegineten des Verrathes anklagten, den sie an Hellas begangen.



50.

Auf diese Anklage fuhr Kleomenes, des Anaxandrides Sohn, welcher König der Spartaner war, hinüber nach Aegina, in der Absicht, die Schuldigsten unter den Aegineten festzunehmen. Wie er aber den Versuch machte, sie zu ergreifen, so traten ihm nicht nur andere Aegineten entgegen, sondern auch am meisten Krius, des Polykritus Sohn, der ihm erklärte, er werde ungestraft keine der Aegineten wegführen; denn er thue dieß nicht im Auftrag von Seiten des Staats der Spartaner, sondern bestochen mit Geld von den Athenern; sonst wäre er ja mit dem andern König zusammen gekommen, um diese festzunehmen. Dieses sagte Krius aus Auftrag des Demaratus. Als darauf Kleomenes sich aus Aegina entfernte, frug er den Krius, was er für einen Namen hätte, worauf dieser ihm seinen wahren Namen angab. Da erwiderte ihm Kleomenes: jetzt, o Krius[*)] , laß dir eherne Hörner machen, in der Erwartung eines großen Uebels, das dich treffen wird.



51.

In Sparta aber suchte Demaratus, des Ariston, Sohn, welcher zu dieser Zeit zurückgeblieben war, den Kleomenes zu verläumden; Demaratus nämlich war zwar auch König der Spartaner, aber aus dem geringeren Hause[**] ), wiewohl dies Haus, da beide von Einem und Demselben abstammen, sonst in Nichts geringer war; sondern das Haus des Eurysthenes nur in Bezug auf die Erstgeburt mehr geehrt ist[***)] .



52.-55

Die Lacedämonier nämlich gaben an, und zwar im Widerspruch mit den Angaben aller Dichter[*] ), Aristodemus selbst, der Sohn des Aristomachus, des Sohnes des Kleodäus, des Sohnes des Hyllus, habe als König sie in eben das Land geführt, welches sie jetzt besitzen, aber nicht wären es die Söhne des Aristodemus gewesen; nicht lange darauf hätte des Aristodemus Weib, welches Argeia hieß[**] ), und die Tochter des Autesion, des Sohnes des Tisemenus, des Sohnes des Thersander, des Sohnes des Polynices gewesen sein soll, Zwillinge geboren, und Aristodemus wäre, nachdem er kaum seine Kinder gesehen, an einer Krankheit gestorben. Die damaligen Lacedämonier nun hätten beschlossen, dem Herkommen gemäß, den ältesten der Söhne zum König zu machen, aber sie hätten in der That nicht gewußt, welchen von beiden sie nehmen sollten, weil nämlich beide einander ganz ähnlich und gleich waren; und weil sie keinen Unterschied zu machen wußten, oder auch schon vorher; hätten sie darüber die Mutter befragt; aber auch diese habe erklärt, sie wisse keinen Unterschied, und hätte sie diese Angabe gemacht, obwohl sie es gewußt, aber in der Absicht, es möchten beide wohl Könige werden. Da seien die Lacedämonier in Verlegenheit gekommen und in dieser Verlegenheit hätten sie nach Delphi geschickt, um den Gott zu befragen, was sie anfangen sollten. Die Pythia habe ihnen darauf geboten, sie sollten beide Kinder zu Königen machen, aber dem älteren mehr Ehre erweisen. Diese Antwort soll die Pythia ihnen ertheilt haben; die Lacedämonier aber wären nichtsdestoweniger in Verlegenheit gewesen, wie sie den Aelteren der Beiden herausfinden sollten, bis ein Messenier; dessen Name Panites war, einen Rath gegeben; dieser Panites nämlich habe den Lacedämoniern Folgendes angerathen: sie sollten Acht geben auf die Mutter, welchen von beiden Knaben sie zuerst wasche und nähre; zeige es sich, daß sie es immer auf dieselbe Weise mache, so hätten sie Alles, was sie suchten und ausfindig machen wollten; wenn sie aber nicht immer es so mache, und abwechsele, so sei dieß ein Zeichen, daß auch sie nichts mehr darüber wisse, dann müßten sie wohl einen andern Weg einschlagen. Die Spartaner hatten nun nach dem Rathe des Messenier auf die Mutter der Kinder des Aristodemus Acht gegeben und gefunden, daß sie auf dieselbe Weise den älteren ehre im Speisen und im Waschen, ohne zu wissen, weßhalb sie beobachtet wurde. Darauf hätten sie das Knäblein, welches von der Mutter geehrt wurde, als das ältere genommen und auf Staatskosten erziehen lassen: es wäre ihm der Name Eurysthenes gegeben worden, dem jüngeren aber der Name Prokles. Als dieselben Männer geworden, hätten sie, obwohl sie Brüder gewesen, die ganze Zeit ihres Lebens mit einander in Feindschaft gelebt und dieß gehe fort bei ihren Nachkommen.


***
53.

Dieses erzählen die Lacedämonier allein unter den Hellenen; das Folgende aber schreibe ich, wie es von den Hellenen auf dieselbe Weise erzählt wird: diese Könige der Dorer nämlich bis auf Perseus, den Sohn der Danae, mit Weglassung des Gottes[*)] , werden richtig von den Hellenen der Reihe nach angegeben und wird nachgewiesen, daß sie Hellenen waren, denn schon damals zählten diese zu den Hellenen; ich habe aber gesagt: bis auf Perseus, aus dem Grunde, und habe nicht weiter rückwärts gegriffen, weil es von Perseus keinen Namen eines sterblichen Vaters gibt, wie der des Amphitryon bei dem Herkules; es hat daher einen guten Grund und ist von mir richtig gesagt worden: bis zum Perseus. Denn zählt man von der Danae an, der Tochter des Acrisius, die Väter immer aufwärts, so würden offenbar die Führer der Dorer ächte Aegyptier, ihrer Abstammung nach, sein. Das ist also, nach den Angaben der Hellenen, die Herleitung ihres Geschlechtes.



***
54.

Wie aber die Erzählung der Perser[*)] lautet, so ist Perseus, welcher ein Assyrier war, ein Hellene geworden, aber seine Vorfahren waren es nicht; die Väter des Acrisius aber[**] ), welche in keiner Verwandtschaft mit Perseus stehen, sollen, wie die Hellenen behaupten, Aegyptier sein.



***
55.

Dieß soll nun darüber gesagt sein. In wie fern diese nun, da sie Aegyptier waren und durch welche Thaten, die sie vollbracht, die Königreiche der Dorer bekommen haben, das wollen wir übergehen, da Andere[***] ) darüber sich ausgelassen haben; was aber Andere nicht behandelt haben, dessen will ich Erwähnung thun.




56.

Es haben die Spartaner ihren Königen folgende Ehrenrechte verliehen[†)] : zwei priesterliche Aemter; das des Lacedämonischen Zeus und des himmlischen Zeus[*)] , die Befugniß Krieg zu führen[**] ) wider jedes Land, gegen welches sie wollen, und darf kein Spartaner sie daran hindern, wenn es nicht eine schwere Schuld auf sich laden will; bei einem Kriegszuge sollen die Könige die ersten sein, welche ausziehen, und die letzten, welche heimkehren; hundert auserlesene[***)] Männer sollen im Feld ihre Wache bilden; Schafe sollen sie bei dem Auszug in's Feld nehmen, so viel sie wollen, und von Allem, was geopfert wird, das Fell und den Rücken[†)] erhalten. Das sind ihre Rechte im Kriege.



57.

Im Frieden aber sind ihnen weiter folgende Rechte verliehen. Wenn ein Opfer von Seiten des Volkes dargebracht wird, so haben bei dem Mahle die Könige den ersten Sitz, und ihnen reicht man zuerst die Speisen, und erhält ein Jeder von ihnen bei Allem das Doppelte von dem, was die übrigen Gäste empfangen; auch sie bringen die Spende zuerst dar und erhalten das Fell der geopferten Thiere. An jedem Neumond und an jedem siebenten Tage des ersten Drittels eines jeden Monats wird einem Jeden von ihnen auf Kosten des Staats ein vollkommenes Opferthier in den Tempel des Apollo geliefert, ein Scheffel Weizen und ein Lakonisches Viertel Wein; bei allen Wettkämpfen haben sie besonders ausgewählte Plätze; auch liegt es ihnen ob, diejenigen Bürger, welche sie wollen, zu Gastwirthen[*)] zu ernennen und kann ein Jeder von beiden sich zwei Pythier wählen; die Pythier[**] ) sind nämlich Gesandte an den Gott nach Delphi und werden mit den Königen auf Staatskosten gespeist. Kommen die Könige nicht zur Mahlzeit, so werden einem Jeden von ihnen zwei Scheffel Weizen und eine Flasche Wein in's Haus geschickt; erscheinen sie aber, so erhalten sie von Allem das Doppelte; auf dieselbe Weise werden sie auch von Privatleuten geehrt, von welchen sie zum Mahle eingeladen worden sind. Weiter haben sie die Orakel, welche ihnen zu Teil geworden, aufzubewahren, jedoch unter Mitwissenschaft der Pythier. Die Könige allein sprechen Recht blos in folgenden Dingen: hinsichtlich einer Erbtochter[***] ), welcher sie bekommen soll, wenn nämlich ihr Vater sie nicht verlobt hat; dann in Betreff der öffentlichen Wege[*)] ; desgleichen wenn Jemand Einen an Sohnes Statt annehmen will, so muß er es vor den Königen thun; auch sind sie Beisitzer des Rathes der Alten[**] ), deren es achtundzwanzig sind; erscheinen sie aber nicht, so haben diejenigen, welche ihnen am nächsten verwandt sind, die Ehrenrechte der Könige, indem sie zwei Stimmen[***][)] abgeben, und eine dritte für sich.



58.

Diese Ehren sind den Königen, so lange sie leben, von Seiten des Staates der Spartaner verliehen; nach ihrem Tode aber geschieht Folgendes: Reiter melden das Ereigniß durch das ganze Lakonische Land, in der Stadt aber laufen die Weiber herum und schlagen an einen Kessel; wenn dieß nun in der Art geschehen ist, müssen aus jedem Hause zwei Freie, ein Mann oder ein Weib, Trauer anlegen, und wenn sie das nicht thun, so werden große Strafen über sie verhängt. Es haben die Lacedämonier hinsichtlich des Todes ihrer Könige dieselbe Sitte wie die Barbaren in Asien; denn die Mehrzahl der Barbaren folgt derselben Sitte bei dem Tod ihrer Könige. Wenn nämlich ein König der Lacedämonier gestorben ist, so muß, außer den Spartanern, aus ganz Lacedämon eine bestimmte Zahl der um Sparta Wohnenden[*)] gezwungen bei der Trauerfeierlichkeit erscheinen. Wenn diese nun, so wie die Heloten und die Spartaner selbst in der Zahl von vielen Tausenden sich versammelt haben, so schlagen sie sich, Männer gemischt mit den Frauen, eifrigst an die Stirne und erheben ein gewaltiges Wehklagen, wobei sie behaupten, der jedesmal zuletzt gestorbene König sei der beste gewesen. Kommt aber einer der Könige im Krieg um, so fertigen sie ein Bild und tragen es auf einem schön hergerichteten Ruhebette[**] ) hinaus. Haben sie ihn dann begraben, so wird zehn Tage lang der Markt[***] ) eingestellt und keine Wahlversammlung gehalten, sondern sie trauern während dieser Tage.



59.-60

Auch in Folgendem stimmen sie mit den Persern überein. Wenn nach dem Tode des Königs ein anderer König in dessen Stelle eintritt, so erklärt dieser, der eintretende, einen jeden Spartaner, welcher dem Könige oder dem Staat Etwas schuldet, denselben frei von dieser Schuld; bei den Persern erläßt ebenso der König bei seiner Thronbesteigung allen Städten die Steuer; die sie noch schulden[†)] .


***
60.

In Folgendem stimmen die Lacedämonier sogar mit den Aegyptiern überein[††)] . Ihre Herolde[†††)] , Flötenspieler und Köche nehmen stets das Gewerbe des Vaters auf und eines Flötenspielers Sohn wird Flötenspieler, eines Koches Sohn ein Koch und eines Heroldes Sohn ein Herold; und werden nicht Andere wegen ihrer guten Stimme eingesetzt, welche sie dann ausschließen, sondern sie versehen ihr Geschäft nach der väterlichen Weise. Dieß verhält sich nun also.




61.-63

Damals nun[*)] , als Kleomenes auf Aegina war und für das Wohl von ganz Hellas wirkte, verläumdete ihn Demaratus, nicht so sehr aus Sorge für die Aegineten, als aus Neid und Scheelsucht. Als aber Kleomenes von Aegina zurückgekehrt war, gedachte er den Demaratus von dem Königthum wegzubringen, indem Er um folgender Sache willen ihm beizukommen suchte. Aristo, welcher König zu Sparta war, und zwei Weiber geheirathet hatte, bekam von beiden keine Kinder, und weil er sich bewußt war, selbst daran nicht schuld zu sein, so heirathete er eine dritte Frau; diese aber heirathete er auf folgende Weise. Aristo hatte unter den Spartanern einen Freund, an welchem er am meisten unter seinen Mitbürgern hing; dieser Mann hatte ein Weib, welches bei weitem die schönste unter allen den Frauen zu Sparta war, und war dieselbe aus der häßlichsten die schönste geworden. Da sie nämlich gar zu schlecht aussah, so kam die Amme, weil sie bedachte, daß Jene ein Kind reicher Leute war, und dabei häßlich, auch wohl bemerkte, wie die Eltern sich ihre Häßlichkeit sehr zu Herzen nahmen, auf folgenden Einfall, nachdem sie das Alles wahrgenommen hatte. Sie trug das Kind jeden Tag in den Tempel der Helena, welcher in dem Orte, der Therapne[**] ) heißt, sich befindet, über dem Tempel des Phöbus. So oft nun die Amme das Kind in den Tempel trug, stellte sie sich vor das Götterbild und flehete zur Göttin, sie möchte doch das Kind von seiner Häßlichkeit befreien. Und als einmal die Amme aus dem Tempel herausging, soll ihr ein Weib erschienen sein, und sie befragt haben, was sie in ihrem Arme trage, worauf sie erwidert, sie trage ein Kind. Das Weib habe sie dann gebeten, ihr das Kind zu zeigen, sie aber habe es verweigert, weil es ihr von den Eltern untersagt gewesen, irgend Jemand das Kind zu zeigen. Als aber das Weib durchaus verlangte, sie solle es ihr zeigen, und sie auch bemerkte, wie viel dem Weibe daran lag, das Kind zu sehen, da habe sie endlich das Kindlein gezeigt; das Weib habe darauf den Kopf des Kindes berührt und versichert, es werde die schönste unter allen Frauen zu Sparta werden. Und von diesem Tage an habe sein Aussehen sich verändert. Als sie aber in das zur Ehe reife Alter gekommen war, heirathete sie Agetus, der Sohn des Alcides, eben der Freund des Ariston.


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62.

Diese Frau war es nun, zu welcher Ariston eine solche Liebe empfand, daß er auf Folgendes verfiel. Seinem Freunde, welcher diese Frau hatte, verspricht er selbst von dem Seinigen Etwas, was Jener sich selbst wählen würde, als Geschenk zu überlassen, und ebenso fordert er den Freund auf, ihm das Gleiche von dem Seinigen zu schenken. Dieser, ohne irgend eine Besorgniß für seine Frau, zumal er sah, daß auch Aristo eine Frau hatte, ging diesen Vorschlag ein, und verpflichteten sich beide dazu durch einen Eidschwur. Ariston gab hernach selbst das, was Agetus von seinen Kleinodien sich ausgewählt hatte, was es auch war, und, als er das Gleiche von Agetus nehmen sollte, verlangte er das Weib seines Freundes von dannen wegzuführen. Dieser erklärte zwar seine Bereitwilligkeit zu allem Andern, dieß Eine ausgenommen; allein durch den Eid gezwungen und durch die List getäuscht, überließ er dem Ariston seine Frau, sie heimzuführen.



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63.

Auf solche Weise nahm sich Ariston die dritte Frau, nachdem er die zweite entlassen hatte; und diese dritte Frau gebar ihm in geringerer Zeit, und noch vor Ablauf der zehn Monate, diesen Demaratus. Als er nämlich auf seinem Stuhl mit den Ephoren[*)] zusammen saß, meldete ihm einer seiner Sklaven, daß ihm ein Sohn geboren worden sei. Da er aber die Zeit wußte; in der er das Weib heimgeführt, und an den Fingern die Monate abzählte, rief er aus und fügte einen Eidschwur bei: das kann nicht mein Sohn sein, Die Ephoren hörten es zwar, beachteten jedoch die Sache anfänglich gar nicht. Der Sohn wuchs heran und Ariston bereute das Wort, das er ausgesprochen hatte, denn er glaubte nun allerdings, daß Demaratus sein Sohn sei; den Namen Demaratus aber gab er ihm aus folgender Ursache. Es hatte vor diesem Vorfall das ganze Volk der Spartaner den Wunsch ausgesprochen, daß Ariston, als ein Mann, der unter allen den Königen, welche zu Sparta gewesen, bei ihnen besonderem Ansehen stand, einen Sohn bekommen möchte, deßwegen gab er ihm den Namen Demaratus[*)] .




64.-65

Im weiteren Verlaufe der Zeit starb Aristo und Demaratus erhielt das Königthum. Es sollte[**] ) aber, wie es scheint, jenes Wort, das bekannt geworden war, den Demaratus um sein Königthum bringen: darum hatte Demaratus mit dem Kleomenes schon trüber sich sehr verfeindet, als er das Heer aus Eleusis wegführte[***] ), dann aber auch damals, als Kleomenes wider diejenigen Aegineten, welche medisch gesinnt waren, nach dieser Insel sich begeben hatte[†)] .


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65.

Da nun Kleomenes darauf ausging, dafür an ihm sich zu rächen, so verständigte er sich mit dem Leutychides[††)] , dem Sohne des Menares, des Sohnes des Agis, dahin, daß dieser, welcher aus demselben Hause wie Demaratus war[†††)] , wenn man ihn zum Könige einsetze, statt des Demaratus, folgen wolle wider die Aegineten. Leutychides war nämlich um folgender Sache willen mit dem Demaratus auf's ärgste verfeindet geworden. Leutychides hatte mit der Perkalus, der Tochter des Chilon, des Sohnes des Demarmenus, sich verlezt und Demaratus brachte durch List den Leutychides nm die Heirath, da er ihm zuvorkam, die Perkalus entführte und zur Frau nahm. Aus dieser Veranlassung war die Feindschaft des Leutychides wider den Demaratns entstanden, damals aber legte Leutychides auf Drängen des Kleomenes einen Eid wider Demaratus ab und erklärte, daß dieser nicht in gebührender Weise König zu Sparta sei, weil er gar kein Sohn des Ariston wäre; und nach diesem Eid erhob er wider ihn eine Anklage in der Erinnerung an jenes Wort, welches damals Ariston ausgesprochen hatte[*)] als der Sclave ihm meldete, es sei ihm ein Sohn geboren, er aber, die Monate abzählend, sich verschworen hatte, daß dieß kein Sohn von ihm wäre. Auf dieses Wort nun fußte Leutychides und suchte damit zu beweisen, daß Demaratus weder von Ariston gezeugt sei, noch gebührender Weise König von Sparta wäre, wobei er diejenigen Ephoren zu Zeugen aufbot, welche damals im Rathe neben Ariston gesessen und dieses Wort des Ariston gehört hätten.




66.

Als man nun darüber im Streit war, beschlossen zuletzt die Spartaner, das Orakel zu Delphi zu befragen, ob Demaratus des Ariston Sohn sei. Wie aber auf Betrieb des Kleomenes die Sache vor die Pythia gebracht war, wußte daselbst Kleomenes den Kobon, den Sohn des Aristophantus, welcher ein sehr viel vermögender Mann zu Delphi war, auf seine Seite zu bringen; und dieser Kobon beredete die Oberpriesterin Perialla das zu sagen, was Kleomenes wünschte[**] ). So gab die Pythia auf die Anfrage der Abgeordneten den Entscheid, daß Demaratus kein Sohn des Ariston sei, In späterer Zeit jedoch kam dieß an den Tag, Kobon entfloh aus Delphi und die Oberpriesterin Perialla ward ihrer Würde entsetzt.



67.

Also ging es mit der Absetzung des Demaratus von der königlichen Würde. Demaratus floh aber von Sparta zu den Medern wegen folgender Beschimpfung. Demaratus bekleidete nach seiner Entsetzung ein Amt, zu dem er gewählt worden war[***] ). Wie nun das Fest der Gymnopädien eintrat und Demaratus demselben zuschaute, so schickte Leutychides, welcher selbst an seiner Statt König geworden war, seinen Diener zu Demaratus, und ließ ihn zum Spott und Hohn fragen, wie er sich denn in dem Amte gefalle, nachdem er König gewesen. Dieser aber, entrüstet über die Frage, erwiderte und sprach, er habe nun beides bereits versucht, jener aber nicht; diese Frage werde jedoch der Anfang unzähligen Unglückes oder unzähligen Glückes für die Lacedämonier sein. Nachdem er diese Worte gesprochen, verhüllte er sein Antlitz und entfernte sich von dem Schauplatz in seine Wohnung, wo er sogleich die nöthigen Anstalten traf und dem Zeus einen Stier opferte, nach dem Opfer abir ließ er seine Mutter rufen.



68.-69

Als seine Mutter gekommen war, legte er in ihre Hände die Eingeweide und sprach zu ihr flehend also: o Mutter, bei allen übrigen Göttern und bei diesem Zeus, dem Beschützer unseres Hauses[*)] , bitte ich dich flehentlich, mir die Wahrheit zu sagen, wer denn in Wirklichkeit mein Vater ist; denn bei jenem Streit behauptete Leutychides, du seist, schwanger von dem früheren Manne, so zu Ariston gekommen; Einige aber bringen eine noch einfältigere Angabe vor, indem sie behaupten, du hättest mit einem der Sclaven, mit dem Eselstreiber, Umgang gepflogen und ich sei dessen Sohn. Ich bitte dich nun bei den Göttern, mir die Wahrheit zu sagen. Denn wenn du wirklich etwas von dem, was angegeben wird, gethan hast, so hast du es ja auch nicht allein gethan, sondern in Gemeinschaft mit Vielen, und vielverbreitet ist in Sparta die Behauptung, daß Ariston nicht im Stande war, Kinder zu erzeugen: denn sonst würden auch seine früheren Weiber geboren haben, So sprach er nun,


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69.

Sie aber erwiderte Folgendes: o Sohn, da du so sehr mit Bitten mich angehst, die Wahrheit zu sagen, so soll die ganze Wahrheit dir herausgesagt werden. Als Ariston mich in sein Haus heimführte, so kam zu mir in der dritten Nacht nach der ersten eine Erscheinung, welche dem Ariston ähnlich war, schlief mit mir zusammen und legte mir die Kränze um, die sie trug. Und dann verschwand die Erscheinung, nachher aber kam Ariston; und wie er mich mit den Kränzen sah, frug er, wer derjenige sei, der sie mir gegeben habe, worauf ich ihm erwiderte: er selbst sei es. Er wollte dieß jedoch nicht zugeben, worauf ich es beschwor und ihm erklärte, es sei nicht schön von ihm, es zu läugnen, denn er sei ja kurz zuvor zu mir gekommen, habe mit mir zusammen geschlafen und die Kränze mir gegeben Wie nun Ariston sah, daß ich es beschwor, so merkte er, daß hier von Seiten eines Gottes Etwas geschehen sei. Es waren nämlich die Kränze offenbar aus der Heroenkapelle, welche an der Hofthüre steht und den Namen des Astrabacus führt[*)] ; dann erklärten auch die Seher, es wäre eben dieser Heros gewesen. So nun, o Sohn, hast du Alles, was du zu wissen wünschest. Denn du stammst entweder von diesem Heros ab und der Heros Astrabacus ist wirklich dein Vater, oder Ariston ist es; denn in dieser Nacht habe ich dich empfangen. Wenn aber deine Feinde dich am meisten von der Seite angreifen, daß sie behaupten, Ariston selbst habe, als ihm die Nachricht von deiner Geburt zukam, vor Vielen, die es hörten, erklärt, du seiest nicht sein Sohn, denn die Zeit (der Schwangerschaft), die zehn Monate, seien noch nicht abgelaufen, so hat Ariston aus Unkunde solcher Dinge diese Worte hingeworfen: denn die Weiber gebären auch nach neun Monaten und selbst nach sieben, und nicht alle vollenden zehn Monate; ich aber habe dich geboren nach sieben Monaten[**] ); auch hat Ariston selbst nicht lange Zeit hernach erkannt, daß ihm aus Unkunde jenes Wort entfallen. Andere Angaben hinsichtlich deiner Geburt nimm nicht an. Denn du hast in Allem die reine Wahrheit Vernommen. Von Eselstreibern aber mögen dem Leutychides selbst und denen, die solches sagen, die Weiber Söhne zur Welt bringen.




70.

Also sprach sie. So wie er aber vernommen, was er wollte, versah er sich mit dem nöthigen Vorrath zur Reise und begab sich nach Elis, nachdem er angegeben hatte, er gehe nach Delphi, um das Orakel zu befragen. Die Lacedämonier jedoch schöpften Verdacht, daß Demaratus damit umginge, zu entweichen, und verfolgten ihn. Demaratus kam ihnen indeß zuvor und setzte von Elis über nach Zacynthus[*)] ; als aber die Lacedämonier ihm dahin nachgesetzt waren und ihn daselbst ergriffen, auch seine Diener wegnahmen, so gaben die Zacynthier ihn, nicht heraus, und er begab sich hernach von da hinüber nach Asien zum König Darius. Dieser nahm ihn mit großen Ehren auf und gab ihm Land und Städte[**] ). So kam Demaratus nach Asien und solches war sein Schicksal; er war übrigens bei den Lacedämoniern vielfach durch Rath und That zu großem Ansehen gelangt, insbesondere aber auch dadurch, daß er ihnen die Ehre eines Siegs zu Olympia, den er mit einem Viergespann errungen, zugewendet hatte, der einzige unter allen Königen zu Sparta, der dieß gethan hat.



71.-72

Als Demaratus gestürzt worden war, folgte Leutychides, des Menares Sohn, in der königlichen Würde nach; er bekam auch einen Sohn Zeuxidemus, welchen Einige von den Spartanern Cyniscus nannten. Dieser Zeuxidemus aber wurde nicht König von Sparta: denn er starb vor Leutychides, mit Hinterlassung eines Sohnes Archidemus. Leutychides aber, nachdem er den Zeuxidemus verloren hatte, heirathete eine zweite Frau, Eurydame, welche des Menius Schwester und des Diaktorides Tochter war; von dieser erhielt er zwar keine männliche Nachkommenschaft, sondern nur eine Tochter Lampito, welche Archidemus, der Sohn des Zeuxidemus, heirathete, da Leutychides ihm dieselbe gab.


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72.

Aber auch Leutychides gelangte nicht zum Alter in Sparta, sondern büßte für Demaratus in folgender Weise. Er hatte die Lacedämonier als Feldherr nach Thessalien geführt, und, wiewohl er Alles sich unterwürfig machen konnte, so ließ er sich durch vieles Geld bestechen. Da er aber im Lager auf der That selbst ergriffen worden war, indem er auf einem von Silber vollen Beutel saß, so entfloh er aus Sparta, als er vor Gericht[*)] gebracht worden war, und würde sein Haus niedergerissen; er floh aber nach Tegea[**] ), wo er auch starb. Dieß geschah jedoch einige Zeit nachher,




73.

Damals aber nahm Kleomenes, als die Sache mit Demaratus so gut abgelaufen war, sogleich den Leutychides mit zu den Aegineten, auf welche er einen argen Groll hatte wegen der erlittenen Beschimpfung[***] ). Da hielten nun die Aegineten, als beide Könige zu ihnen gekommen waren, es nicht für rathsam, weiteren Widerstand zu leisten; Jene lasen dann zehn Männer, welche die angesehensten waren an Reichthum und an Geburt, aus und führten sie weg; mit ihnen auch noch Andere, darunter insbesondere den Krius[†)] , den Sohn des Polykritus, den Kasanebus, den Sohn des Aristokrates, welche die größeste Macht hatten. Sie brachten diese nach Attika und übergaben sie dort den Athenern, welche die ärgsten Feinde der Aegineten waren, in Verwahrung,



74.

Hernach aber, als es ruchbar geworden, welche schlechten Mittel Kleomenes wider den Demaratus angewendet hatte, ergriff den Kleomenes Furcht vor den Spartanern und er begab sich im Stillen nach Thessalien; von hier ging er dann nach Arkadien, wo er Unruhen anzuzetteln suchte, und die Arkadier wider Sparta aufwiegelte[††)] , auch durch Eidschwure sie unter Anderem verbindlich machte, ihm zu folgen, wohin er sie nur führe; insbesondere auch war er eifrig bemüht, die Vorsteher der Arkadier nach der Stadt Nonakris[*)] zu bringen und sie hier bei dem Wasser der Styx schwören zu lassen. Bei dieser Stadt nämlich befindet sich nach Angabe der Arkadier das Wasser der Styx und ist dasselbe von folgender Beschaffenheit. Weniges Wasser kommt zum Vorschein, welches aus einem Felsen in ein Becken herabträufelt, um welches rings herum eine Hecke von Dornen herumläuft[**] ). Nonakris aber, bei welchem diese Quelle sich befindet, ist eine Stadt Arkadiens bei Pheneus.



75.

Wie die Lacedämonier erfuhren, daß Kleomenes mit solchen Dingen umgehe, so führten sie ihn aus Furcht nach Sparta zurück unter denselben Bedingungen, unter denen er auch früher König gewesen war. Sogleich nach seiner Rückkehr aber ergriff ihn eine Krankheit, eine Raserei, da er auch vorher schon nicht mehr ganz bei Sinnen gewesen war. So oft er nämlich irgend einem Spartaner begegnete, schlug er ihn mit seinem Stock in's Gesicht. Wegen solcher Streiche, und wegen seines Wahnsinnes banden ihn seine Anverwandten an einen Pflock; so wie er aber, angebunden an den Pflock, bemerkte, daß der Wächter von den übrigen verlassen sei, bat er ein Messer, und als der Wächter anfangs sich weigerte, ihm ein Messer zu geben, so drohte er ihm, was er ihm dereinst anthun wolle, bis der Wächter aus Furcht vor den Drohungen, es war nämlich ein Helote[*)] , ihm das Messer gab. So wie Kleomenes das Eisen bekommen hatte, fing er an, sich selbst zu zerfetzen von den Schienbeinen an: er schnitt nämlich der Länge nach das Fleisch auf und kam so immer weiter von den Schienbeinen zu den Schenkeln und von den Schenkeln zu den Hüften und Weichen, bis er an den Bauch kam, und wie er auch diesen aufschlitzte, starb er auf solche Weise, wie die meisten Hellenen angeben, weil er die Pythia beredet hatte, bei dem Vorfall mit Demaratus jenen Ausspruch zu thun[**] ); wie die Athener jedoch behaupten, weil er in Eleusis eingefallen[***] ) und das Heiligthum der Göttinnen[†)] verheert hatte, wie aber die Argiver erzählen, weil er die Argiver, die aus der Schlacht in das Heiligthum des Argos[††)] geflüchtet, aus demselben hatte herausholen und zusammenhauen lassen, und den Hain selber rücksichtslos in Brand gesteckt hatte.



76.-78

Es war nämlich dem Kleomenes, als er das Orakel zu Delphi befragte, die Antwort ertheilt worden, daß er Argos einnehmen werde. Als er nun mit seinen Spartanern an den ff[4 Erasinus[†††)] gekommen war, welcher aus dem Stymphalichen See abfließen soll (dieser See nämlich, der in einen unsichtbaren Schlund sich ergießt, soll bei Argos wieder zum Vorschein kommen, und von hier an wird dieses Wasser von den Argivern Erasinus genannt), so ließ Kleomenes, wie er zu diesem Fluß gekommen war, Opfer abschlachten, und weil ihm die Opfer keineswegs günstig für den Uebergang ausfielen, erklärte er, es gefalle ihm wohl, daß Erasinus seine Bürger nicht im Stiche ließe, die Argiver würden aber auch so nicht ungestraft durchkommen. Er zog sich hernach zurück und führte das Heer nach Thyrea[*)] ; hier brachte er dem Meere das Opfer eines Stieres[**] ) und setzte sein Heer auf Schiffen über nach der Tirynths schen[***] ) Landschaft und nach Nauplia.


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77.

Als die Argiver dieß erfahren hatten, eilten sie herbei an das Meer; wie sie aber nahe bei Tiryns waren an dem Orte, welcher den Namen Sepeia führt, lagerten sie sich, ohne einen großen Raum dazwischen zu lassen, gegenüber den Lacedämoniern. Hier nun fürchteten die Argiver sich zwar nicht vor dem offenen Kampfe, wohl aber davor, daß sie durch List gefangen würden. Sie hatten nämlich in Bezug auf diesen Umstand einen Götterspruch, welchem ihnen gemeinsam mit den Milesiern die Pythia ertheilt hatte[†)] , welcher also lautete:

Wenn aber einstens das Weib[*)] im Siege bewältigt den Mann hat,
Und ihn treibet zur Flucht und Ruhm gewinnet in Argos,
Dann wird kommen den Frauen zu Argos Jammer und Trauer[**]
So wird Mancher ).
wohl reden der spätgeborenen Menschen:
Furchtbar, getroffen vom Speer, die dreifache Schlange dahinsank.

Das Alles nun, welches zusammentraf, setzte die Argiver in Furcht; und beschlossen sie demnach, nach dem Herold der Feinde sich zu richten. Nachdem sie diesen Beschluß gefaßt hatten, thaten sie Folgendes: so oft der Spartanische Herold den Lacedämoniern irgend Etwas verkündigte, so thaten auch die Argiver das Gleiche,



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78.

Als aber Kleomenes bemerkte, daß die Argiver Alles thaten, was sein Herold verkündete, so befahl er seinen Leuten, sie sollten, wenn der Herold ihnen das Zeichen gäbe zur Bereitung des Frühmahls, dann die Waffen ergreifen und auf die Argiver losgehen. Es ward dieß auch von Seiten der Lacedämonier ausgeführt, da sie, dem Zeichen des Herolds gemäß, über die Argiver herfielen, wie diese das Frühmahl bereiteten, auch Viele derselben tödteten, während bei weitem die Meisten in den Hain des Argos sich flüchteten wo die Lacedämonier sie umlagerten und bewachten,




79.-80

Darauf that nun Kleomenes Folgendes: Er hatte einige Ueberläufer, und nach dem, was er von diesen vernahm, schickte er einen Herold zu den in dem Heiligthum eingeschlossenen Argivern und ließ sie herausrufen, einen Jeden bei seinem Namen; indem er sie aber herausrufen ließ, versicherte er, schon das Lösegeld für sie zu haben. Als Lösegeld sind aber festgesetzt bei den Peloponnesiern zwei Minen zur Zahlung für jeden gefangenen Mann[***] ). So ließ nun Kleomenes fünfzig Argiver, einen jeden einzeln, herausrufen und dann erschlagen, die übrigen in dem Haine merkten aber gar nicht, was vorfiel, weil der Hain dicht war und die im Innern nicht sahen, was die, welche draußen waren, thaten, bis endlich Einer von ihnen auf einen Baum stieg und von diesem herab das, was vorging, erblickte. Von nun an kamen sie auf den Ruf nicht mehr heraus.


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80.

Da befahl Kleomenes, ein Jeder der Heloten sollte rings um den Hain Brennholz zusammentragen, und als diese gehorchten, steckte er darauf den Hain in Brand. Wie nun der Hain bereits in Flammen stand, frug er einen der Ueberläufer, welchem Gott der Hain gehöre? Dieser erwiderte, es sei der Hain des Argos. Als er dieß hörte, seufzte er auf und sprach: o weissagender Apollo! Fürwahr, du hast mich sehr getäuscht, indem du mir sagtest, ich würde Argos einnehmen; ich merke wohl, daß dies Orakel nun in Erfüllung gegangen ist.




81.-82

Hernach entließ Kleomenes den größeren Theil der Heeres zur Rückkehr nach Sparta[*)] , nahm dann tausend der Besten und zog mit diesen nach dem Heiligthum der Here[**] ), um dort ein Opfer zu bringen. Als er aber auf dem Altar opfern wollte, untersagte es ihm der Priester, indem er ihm bedeutete, es sei einem Fremden nicht gestattet, hier zu opfern. Darauf ließ Kleomenes den Priester durch seine Heloten von dem Altar wegführen und geißeln[***] ), und brachte selbst das Opfer dar; als er dieß gethan hatte, kehrte er nach Sparta zurück.


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82.

Nach seiner Rückkehr aber erhoben seine Feinde wider ihn Klage bei den Ephoren[†)] , indem sie behaupteten, er habe sich bestechen lassen und darum Argos, das er doch mit leichter Mühe hätte nehmen können, nicht erobert. Darauf erklärte er ihnen, ich kann jedoch nicht mit Bestimmtheit angeben, ob er log oder ob er die Wahrheit sagte, kurz, er erklärte ihnen, daß er, nachdem er das Heiligthum des Argos eingenommen, geglaubt habe, es sei damit der Spruch des Gottes in Erfüllung gegangen, er habe es demnach nicht für Recht gehalten, an der Stadt einen Versuch zu machen, bevor er ein Opfer zu Rathe gezogen und daraus erkannt, ob der Gott ihm die Stadt überlasse, oder ihm im Weg stände. Als darauf das Opfer in dem Tempel der Here günstig ausgefallen, so hätte aus der Brust des Götterbildes ein Feuerfunken herausgeleuchtet: so habe er die Gewißheit erlangt, daß er Argos nicht einnehmen werde; wenn es nämlich aus dem Haupte des Götterbildes hervorgeleuchtet hätte, so würde er die Stadt im Sturm genommen haben, da es aber aus der Brust gestrahlt, so sei von ihm Alles, was der Gott wünschte, daß es geschehe, gethan worden. Diese Rede erschien den Spartanern glaubwürdig und wahrscheinlich, so daß er der Anklage ganz und gar entging,




83.

Argos aber war so von Männern verwaist[*)] , daß die Sclaven der Argiver die ganze Macht in Händen hatten, Aemter bekleideten und die Verwaltung führten, bis daß die Söhne der Umgekommenen herangewachsen waren, welche, nachdem sie sich wieder in den Besitz von Argos gesetzt hatten, jene alsdann vertrieben; die vertriebenen Sclaven aber bemächtigten sich durch einen Kampf der Stadt Tiryns[**] ). Eine Zeitlang nun lebten sie in Freundschaft mit einander; hernach aber kam zu den Sclaven ein Seher Kleanthes, welcher von Geschlecht ein Phigaler[***] ) war, aus Arkadien und beredete die Sclaven, ihre Herren anzugreifen. Daraus entstand ein Krieg auf lange Zeit, bis zuletzt mit aller Noth die Argiver die Oberhand behielten.



84.

Deßwegen nun, behaupten die Argiver, wäre Kleomenes rasend geworden und eines schmählichen Todes gestorben. Die Spartaner selbst behaupten aber, die Raserei des Kleomenes sei nicht die Folge irgend eines göttlichen Einflusses gewesen[*] ), sondern in Folge des Umganges mit Scythen sei er ein Trunkenbold geworden und daraus sei seine Raserei gekommen. Die herumziehenden Scythen nämlich wären, nachdem Darius in ihr Land eingefallen war, darauf bestanden, Rache dafür an ihm zu nehmen; sie hätten deßhalb nach Sparta geschickt, um einen Bund abzuschließen, und eine Verabredung dahin zu treffen, daß sie, die Scythen, den Versuch machen sollten, längs des Phasisflusses einzudringen in das Medische Land, die Spartaner dagegen sollten von Ephesus aus in das Innere Asiens ziehen und dann mit ihnen zusammentreffen. Kleomenes, so erzählen sie, hätte mit den Scythen, als sie deßhalb angekommen waren, viel zu sehr verkehrt, und da er mehr als sich ziemte mit ihnen umging, habe er von ihnen gelernt, unvermischten Wein zu trinken[**] ); und davon wäre er, wie die Spartaner glauben, rasend geworden. Von dieser Zeit an, wie sie selbst versichern, sagen sie, wenn sie wollen stärker trinken: trinke Scytisch. Also erzählen die Spartaner die Geschichte des Kleomenes; ich aber glaube, daß den Kleomenes die Vergeltung für das traf, was er dem Demaratus angethan hatte.



85.-86

Als Kleomenes gestorben war und die Aegineten es erfuhren, schickten sie nach Sparta Boten, welche Klage wider Leutychides erheben sollten wegen der Geiseln, die zu Athen im Verwahr gehalten wurden[*)] . Die Lacedämonier versammelten darauf einen Gerichtshof und erkannten, daß die Aegineten von Leutychides mißhandelt worden seien; auch verurtheilten sie ihn, ausgeliefert zu werden nach Aegina für die zu Athen in Verwahr gehaltenen Männer. Wie nun die Aegineten im Begriff waren, den Leutychides abzuführen, sprach Theasides, des Leoprepes Sohn, welcher ein angesehener Mann zu Sparta war, zu ihnen: Was wollt ihr thun, ihr Männer von Aegina? den König der Spartaner, der von seinen Mitbürgern ausgeliefert ist, wegführen? Wenn die Spartaner jetzt in ihrem Zorn also erkannt haben, so bedenkt doch, daß sie später, wenn ihr dieß thut, in euer Land fallen und es ganz zu Grunde richten können. Als die Aegineten dieß vernommen hatten, standen sie von der Wegführung ab, schloßen aber einen Vergleich dahin ab, daß Leutychides ihnen nach Athen folgen und den Aegineten die Zurückgabe ihrer Leute erwirken solle.


***
86.

Als darauf Leutychides nach Athen kam und das Unterpfand zurückverlangte, so machten die Athener allerhand Ausflüchte, weil sie (die bei ihnen verwahrten Aegineten) nicht herausgeben wollten, indem sie behaupteten, es seien zwei Könige gewesen, welche sie ihnen übergeben, darum hielten sie es nicht für Recht, den Einen ohne den Andern den Aegineten zurückzugeben. Auf diese Weigerung der Athener, die Leute zurückzugeben, sprach Leutychides zu ihnen Folgendes: O Athener, thut, was ihr von beidem wollt; denn gebt ihr die Männer zurück, so thut ihr Recht, und gebt ihr sie nicht zurück, so thut ihr das Gegentheil davon. Indessen will ich euch erzählen, was sich einst in Sparta zugetragen hat mit einem solchen Unterpfand. Bei uns Spartanern erzählt man, daß zu Lacedämon im dritten Geschlechte vor mir Glaucus, des Epicydes Sohn, gelebt habe. Dieser Mann, heißt es weiter, war nicht nur in allem Andern einer der Ersten, sondern erfreute sich auch des besten Rufes hinsichtlich seiner Gerechtigkeit unter Allen, welche Lacedämon zu dieser Zeit bewohnten. Diesem soll nun in einer bestimmten Zeit Folgendes begegnet sein. Ein Milesier kam nach Sparta und wollte ihn sprechen, indem er Folgendes zum Vorwand nahm: ich bin aus Miletus, aber hierher gekommen, o Glaucus, in der Absicht, von deiner Gerechtigkeit Vortheil zu ziehen. Denn da in dem ganzen übrigen Hellas, insbesondere aber auch in Jonien, man so viel von deiner Gerechtigkeit spricht, so überlegte ich es bei mir, wie Jonien stets in einer bedenklichen Lage sich befindet[*)] , während der Peloponnesus sicher gestellt ist, und wie man dort nirgends Jemand sehen kann im bleibenden Besitze seines Vermögens. So kam ich nach reiflicher Ueberlegung zu dem Entschluß, die Hälfte meines ganzen Vermögens zu versilbern und bei dir niederzulegen, weil ich wohl weiß, daß es mir bei dir sicher liegt. Empfange daher dieses Geld und nimm dir diese Wahrzeichen und bewahre sie auf; wer mit denselben kommt und das Geld abverlangt, dem gib es zurück.

Also sprach der Fremde, der von Milet gekommen war; Glaucus aber nahm das Unterpfand auf die angegebene Bedingung. Nach Verlauf längerer Zeit kamen nun nach Sparta Söhne dieses Mannes, welcher das Geld niedergelegt hatte, traten mit Glaucus in ein Gespräch und verlangten unter Vorzeigung der Wahrzeichen das Geld zurück. Er aber wies sie ab und gab ihnen folgende Antwort: ich erinnere mich nicht der Sache und es kommt mir gar nicht bei, Etwas von dem zu wissen, was ihr sagt; ich will aber, wenn mir die Sache wieder in den Sinn gekommen, Alles thun, was Recht ist; denn wenn ich es empfangen habe, so habe ich es mit Recht zurückzugeben; habe ich es aber überhaupt gar nicht empfangen, so werde ich in Bezug auf euch nach Hellenischer Sitte verfahren. Ich gebe euch nun Aufschub in dieser Sache auf vier Monate von jetzt an, um dann Alles fest zu machen.

Die Milesier nahmen sich dieß sehr zu Herzen und entfernten sich; Glaucus aber begab sich nach Delphi, um das Orakel zu befragen. Wie er nun das Orakel befrug, ob er durch einen Eidschwur das Geld unterschlagen solle, trat ihm die Pythia mit folgenden Worten entgegen:

Glaucus, des Epicydes Sohn! jetzt bringt es dir Vortheil,
Obzusiegen durch Eid und wegzunehmen die Schätze!
Schwöre du nur, da der Tod auch erwartet den Mann, der den
Eid hält.
Aber des Eidschwurs Sohn, der hat weder Namen, noch Hände,
Noch hat er Füße, doch folgt er dir eilenden Fußes, bis daß er
Völlig das ganze Geschlecht und das Haus von der Erde vertilget;
Aber des redlichen Mannes Geschlecht wird später noch blühen.

Als dieß Glaucus gehört hatte, bat er den Gott, ihm Verzeihung zu schenken für seine Worte; aber die Pythia erklärte, den Gott versuchen und die That gelte gleichviel. Glaucus ließ nun die Milesischen Fremdlinge zu sich rufen und übergab ihnen die Schätze. Weßhalb ich aber, ihr Athener, diese Geschichte vor euch gebracht habe, soll jetzt gesagt werden. Von Glaucus ist jetzt kein Abkömmling mehr vorhanden, noch findet sich irgend ein Haus, welches für das des Glaucus gehalten wird, sondern das ganze Geschlecht ist von Grund aus vertilget von Sparta. Also ist es gut, hinsichtlich eines Unterpfandes gar keine anderen Gedanken zu haben, sondern es auf das gestellte Verlangen zurückzugeben. Nach diesen Worten entfernte sich Leutychides, als die Athener auch darauf ihm kein Gehör gaben.




87.

Die Aegineten aber, ehe sie noch für das frühere Unrecht[*)] , welches sie, den Thebanern[**] **) zu Gefallen, den Athenern zugefügt hatten, Genugthuung gegeben, thaten Folgendes. Sie beschwerten sich über die Athener und behaupteten von diesen Unrecht erlitten zu haben; sie rüsteten sich daher, an den Athenern Rache zu nehmen, und da die Athener alle fünf Jahre ein Fest[***] ) bei Sunium feierten, so legten sich die Aegineten in einen Hinterhalt und nahmen das heilige Schiff, welches voll war von den angesehensten Athenern, weg, und legten die Gefangenen in Bande.



88.

Als die Athener dieses von den Aegineten erlitten hatten, glaubten sie ohne allen Verzug Alles aufbieten zu müssen wider die Aegineten. Nun war in Aegina ein angesehener Mann mit Namen Nicodromus, des Knöthus Sohn, der einen Groll auf die Aegineten hatte, weil sie ihn früher aus der Insel vertrieben; als dieser damals hörte, daß die Athener es darauf angelegt, den Aegineten Uebels zu thun, verabredete er mit den Athenern, Aegina zu verrathen, indem er ihnen den Tag angab, an welchem er zur That schreien wolle und jene ihm zu Hülfe herbeikommen müßten. Es besetzte auch hernach Nicodromus, nach der mit den Athenern getroffenen Verabredung, die sogenannte Altstadt[*] ).


***
89.

Aber die Athener erschienen nicht zur rechten Zeit, denn sie hatten nicht Schiffe genug, um den Aegineten in einem Kampfe gewachsen zu sein; während sie nun an die Korinthier sich mit der Bitte wendeten, ihnen Schiffe zu leihen, wurde inzwischen die ganze Sache verdorben. Die Korinthier, welche 'um diese Zeit mit den Athenern sehr besset waren, gaben ihnen auf ihre Bitten zwanzig Schiffe[**] , und ließen sich für ein jedes derselben fünf Drachmen[***] ***) bezahlen; denn umsonst sie herzugeben, war nach dem Gesetze nicht gestattet. Die Athener nahmen nun diese Schiffe, sowie die ihrigen und bemannten in Allem siebenzig Schiffe, mit welchen sie nach Aegina schifften, aber um einen Tag zu spät nach dem verabredeten Tage ankamen.




90.-93

Nicodromus aber, als die Athener nicht zur rechten Zeit ankamen, bestieg ein Fahrzeug und entfloh aus Aegina; es folgten ihm auch Andere von den Aegineten, welchen die Athener Wohnungen zu Sunium gaben, von wo aus dieselben auf Raub und Plünderung der auf der Insel wohnenden Aegineten ausgingen. Dieß geschah jedoch erst später.


***
91.

Auf Aegina hatten die Reichen, als das Volk zugleich mit Nicodromus wider sie aufstand, die Oberhand behalten, die Ausständigen, die in ihre Gewalt gerathen waren, führten sie dann hinaus zum Tode. Dadurch kam aber auch über sie eine schwere Schuld, von welcher sie nicht im Stande waren, sich zu reinigen, so sehr sie auch darauf sannen, sondern sie wurden aus der Insel verweben, noch ehe die Göttin[*)] ihnen wieder gnädig geworden war: denn siebenhundert Männer des Volkes, welche sie lebendig gefangen genommen, führten sie hinaus zum Tode. Einer von diesen war aber den Banden entronnen und flüchtete sich in den Vorhof[**] ) der gesetzgebenden Demeter, wo er den Ring der Thüre erfaßte und sich festhielt. Da sie ihn nun nicht loszureißen vermochten, so sehr sie ihn auch wegzuziehen versuchten, so hieben sie ihm die Hände ab und schleppten ihn so weg; seine Hände aber blieben wie angewachsen an dem Ringe hängen.



***
92.

Das hatten nun die Aegineten sich selbst angethan. Als aber die Athener mit siebenzig Schiffen herankamen, lieferten sie den selben eine Schlacht zur See, in welcher sie unterlagen, und nun riefen sie wieder eben dieselben zum Beistand an, die sie schon vorher angerufen, die Argiver. Diese wollten ihnen ja doch keinen Beistand mehr leisten, weil sie unwillig darüber waren, daß Aeginetische Schiffe, die von Kleomenes mit Gewalt weggenommen waren[*)] , nach dem Argolischen Lande gefahren und deren Leute zugleich mit den Lacedämoniern an's Land gestiegen waren. Es waren bei demselben Einfall auch aus den Sicyonischen Schiffen Männer mit an's Land gestiegen; und war ihnen von den Argivern deßhalb eine Strafe von tausend Talenten[**][)] auferlegt worden, indem fünfhundert Talente ein jeder Theil bezahlen sollte. Die Sicyonier nun erkannten ihr Unrecht und verständigten sich mit den Argivern dahin, daß sie hundert Talente bezahlten und dafür straflos blieben; die Aegineten aber wollten ihr Unrecht nicht eingestehen und waren recht trotzig. Darum eben wollte auf ihre Bitte, von Seiten des Staates, kein Argiver ihnen zu Hülfe kommen, wohl aber zogen gegen tausend Freiwillige aus, deren Feldherr ein Mann war, mit Namen Eurybates, wohl erfahren im Fünfkampfe[***] ). Von diesen kehrten jedoch die Meisten nicht wieder zurück, sondern kamen durch die Athener zu Aegina um; der Führer selbst, Eurybates, welcher im Zweikampf focht und auf diese Art drei Männer tödtete, ward vom vierten, dem Sophanes aus Decelea, erschlagen.



***
93.

Dagegen erfochten die Aegineten einen Sieg, indem sie mit ihren Schiffen über die Athener, als diese nicht in Ordnung waren, herfielen, und nahmen vier Schiffe mit sammt der Bemannung gefangen.




94.-95

So hatte sich nun ein Krieg zwischen den Athenern und Aegineten entsponnen. Der Perser aber that inzwischen auch das Seine, da ihn ja sein Diener beständig daran erinnerte[*)] eingedenk zu sein der Athener, auch die Pisistratiden ihm zusetzten und die Athener verläumdeten; während zugleich Darius unter diesem Vorwande diejenigen in Hellas, welche ihm Erde und Wasser[**)] nicht gegeben, zu unterwerfen wünschte. Er nahm daher dem Mardonius, dem es auf seinem Zuge so schlecht ergangen war[***)] , den Oberbefehl und ernannte andere Feldherren, die er wider Eretria und Athen[†)] schickte, den Datis, der von Abkunft ein Meder war, und den Artaphernes, den Sohn des Artaphernes, seinen eigenen Neffen[††)] ; diesen trug er auf, als er sie dahin schickte, sie sollten die Einwohner von Athen und Eretria zu Sclaven machen und dieselben vor sein Angesicht führen,


***
95.

Als diese von ihm ernannten Feldherren abreisten vom Könige und in der Aleischen Ebene[†††)] in Cilicien eintrafen, mit einem zahlreichen und wohlgerüsteten Landheer, da stieß zu ihnen, während sie dort lagerten, die ganze Flotte, wie es einem jeden der Völker auferlegt worden war; es waren auch die Schiffe zum Transport der Pferde eingetroffen, welche schon im vorigen Jahre Darius seinen Steuerpflichtigen in Bereitschaft zu halten aufgegeben hatte[*†] ). Nachdem sie die Pferde in dieselben geschafft und das Fußvolk gleichfalls in die Schiffe gebracht hatten, fuhren sie mit sechshundert Dreiruderern nach Jonien. Von da an aber steuerten sie nicht längs des festen Landes, in gerader Richtung nach dem Hellespont und nach Thracien, sondern sie nahmen die Fahrt von Samos aus neben dem Jkarischen Meere[*)] und mitten durch die Inseln, weil sie, wie ich wohl mir denke, besonders vor der Fahrt um den Athos sich fürchteten, indem sie im vorigen Jahre[**] ), als sie diesen Weg einschlugen, einen so großen Verlust erlitten hatten; außerdem nöthigte sie dazu auch Naxus, welches noch nicht von ihnen eingenommen war[***] ***).




96.

Als sie aber von dem Jkarischen Meere aus auf ihrer Fahrt sich der Küste von Naxus näherten, denn wider diese Inseln gedachten die Perser zuerst ihren Kriegszug zu richten, eingedenk der früheren Vorfälle, so flohen die Naxier eilends nach den Gebirgen und hielten nicht Stand; die Perser aber machten diejenigen von ihnen, welche sie einholten, zu Sclaven und steckten dann die Tempel und die Stadt in Brand; nachdem sie dieß gethan hatten, fuhren sie weiter zu den übrigen Inseln,



97.

Während sie dieses thaten, verließen die Delier ebenfalls Delos und flohen eilends nach Tenus †). Als nun das Persische Heer heranschiffte, so ließ Datis, welcher vorausgefahren war, die Schiffe nicht bei der Insel vor Anker gehen, sondern jenseits bei Rhenea[††)] , und als er erfahren hatte, wo die Delier sich befanden, schickte er einen Herold zu ihnen und ließ ihnen Folgendes sagen: Ihr heiligen Männer[†††)] , warum flieht ihr so eilig und habt von mir eine so schlimme Meinung? Denn ich selbst bin ja in so weit der Ansicht, und ist mir vom Könige also aufgetragen, das Land, in welchem die beiden Götter[*)] geboren sind, in keiner Weise zu beschädigen, eben sowohl das Land selbst wie dessen Bewohner. Darum kehrt wieder zurück in eure Heimath und bleibt auf der Insel wohnen. Dieses ließ er durch einen Herold den Deliern sagen, hernach aber ließ er dreihundert Talente[**] **) Weihrauch herbeischaffen und auf dem Altar verbrennen.



98.

Nachdem dieß Datis gethan hatte, schiffte er mit seinem Heere zuerst wider Eretria, wobei er auch Ionier und Aeolier mit sich führte. So wie er aber von Delos abgefahren war, wurde Delos von einem Erdbeben erschüttert, wie die Delier angeben, und ist diese Erschütterung die erste und letzte gewesen bis auf meine Zeit[***][)] Und war dieß wohl ein Wunderzeichen, durch welches die Gottheit den Menschen das Unglück, das da kommen sollte, andeutete[†] ). Denn unter dem Darius, dem Sohn des Hystaspes, unter dem Xerxes, dem Sohn des Xerxes, als in den drei Menschengeschlechtern nach einander widerfuhr Hellas mehr Unglück[*)] , als in den zwanzig andern Geschlechtern, welche vor Darius gewesen sind, theils von Seiten der Perser, theils aber auch von Seiten der an der Spitze Stehenden selbst, welche über die Herrschaft mit einander stritten[**] ). So war es nicht zu verwundern, daß Delos erschüttert wurde, das vorher noch von keinem Erdbeben heimgesucht worden war; und war darüber in einem Orakel Folgendes enthalten:

Ich will Delos bewegen, obwohl es noch nicht bewegt ist.

Es bedeuten[***] ) aber in hellenischer Sprache jene Worte Folgendes: Darius[†)] heißt der Bändiger, Xerxes der Krieger, Artaxerxes der große Krieger; auf diese Weise möchten die Hellenen in ihrer Sprache diese Könige ganz richtig benennen.



99.

Als die Barbaren von Delos weggesegelt waren, steuerten sie den Inseln[*)] zu; von da nahmen sie Kriegsvolk mit und ergriffen als Geiseln die Söhne der Inselbewohner. Wie sie aber auf ihrer Fahrt um die Inseln auch der Stadt Karystus[**] ) sich näherten, deren Bewohner ihnen keine Geiseln gegeben, und auch verweigert hatten, wider benachbarte Städte (sie meinten damit Eretria und Athen) zu Felde zu ziehen, da belagerten sie dieselben und verheerten ihr Land, bis auch die Karystier sich den Persern übergaben.



100.-101

Wie die Eretrier[***] ) erfuhren, daß das Persische Heer wider sie heranschiffte, baten sie die Athener, ihnen zu Hülfe zu kommen. Die Athener versagten auch nicht ihren Beistand, sondern gaben ihnen die viertausend Mann, welche das Land der Ritter zu Chalcis unter sich verlooset hatten[†)] , zum Beistand. Aber die Eretrier konnten zu keinem vernünftigen Entschluß kommen, indem sie die Athener zwar zu sich beriefen, aber in ihren Ansichten zwiefach getheilt waren. Denn die einen von ihnen waren entschlossen, die Stadt zu verlassen und auf die Höhen[††)] von Euböa sich zu begeben; der andere Theil von ihnen, welcher eigene Vortheile von Seiten des Persers für sich erwartete, rüstete sich zu einem Verrath. Wie nun Aeschines, des Nothon Sohn, welcher einer der Ersten unter den Eretriern war, bemerkte, wie es auf beiden Seiten stand, so gab er den Athenern, welche angekommen waren, die ganze Lage, wie sie eben war, an, und ersuchte sie, sich in ihr Land zurückzubegeben. Die Athener folgten dem Rathe des Aeschines, setzten nach Oropus[*)] über und retteten sich auf diese Weise,


***
101.

Die Perser aber hielten auf ihrer Fahrt bei Tamynä und Chorea[**] **) im Gebiete von Eretria, und als sie diesen Orten nahe gekommen waren, schifften sie sogleich ihre Pferde aus und rüsteten sich zu einem Angriff wider die Feinde. Die Eretrier jedoch waren nicht entschlossen, herauszukommen und in einen Kampf sich einzulassen, sondern sie waren vielmehr darauf bedacht, wie sie ihre Mauern vertheidigen könnten, nachdem die Ansicht durchgedrungen war, die Stadt nicht zu verlassen. Als nun ein heftiger Angriff wider die Mauer Statt fand, fielen sechs Tage lang Viele von beiden Seiten am siebenten Tage aber verriethen Euphorbus, des Alcimachus Sohn, und Philagrus, des Cyneas Sohn, beide Männer von Ansehen unter ihren Mitbürgern, die Stadt an die Perser; diese drangen in die Stadt, und nachdem sie die Tempel geplündert, steckten sie dieselben in Brand, als Vergeltung für die zu Sardes verbrannten Tempel, dann aber machten sie, nach den Aufträgen des Darius, die Einwohner zu Sclaven,




102.

Nachdem die Perser Eretria in die Gewalt bekommen hatten, verweilten sie nur wenige Tage daselbst und steuerten dann nach Attika, welches sie sehr in die Enge zu nehmen *** ) suchten, weil sie glaubten, es mit den Athenern eben so zu machen, wie sie es mit den Eretriern gemacht hatten. Auch war hier Marathon[†] ) der Ort, welcher die gelegenste Ebene bot, um darin die Reiterei auszubreiten, dabei ganz nahe bei Eretria: dahin nämlich führte sie Hippias, des Pisistratus Sohn[*)] .



103.-104

Als dieß die Athener erfuhren, so zogen sie eilends nach Marathon zur Vertheidigung; zehn Feldherren[**] ) standen an ihrer Spitze, von welchen Miltiades der zehnte war, dessen Vater Cimon ***, der Sohn des Stesagoras, aus Athen hatte fliehen müssen vor Pisistratus, dem Sohne des Hippokrates. Während er nun in der Verbannung lebte, begab es sich, daß er zu Olympia einen Sieg mit einem Viergespann errang; er aber, wie er diesen Sieg errungen hatte, überließ diese Ehre seinem Bruder von derselben Mutter, dem Miltiades, und als er in der nächstfolgenden Olympiade mit demselben Gespann wieder einen Sieg gewann, so ließ er den Pisistratus als Sieger feierlich ausrufen; in Folge dieses an Pisistratus überlassenen Sieges kehrte er mit voller Sicherheit in seine Heimath zurück. Als er nun mit demselben Gespann noch einen Sieg zu Olympia gewonnen hatte, verlor er sein Leben durch die Söhne des Pisistratus, da Pisistratus selbst nicht mehr am Leben war: diese ließen ihn durch Männer, die sie des Nachts in Hinterhalt gelegt hatten, bei dem Rathhaus ermorden. Dieser Cimon liegt vor der Stadt begraben, jenseits der sogenannten Hohlgasse[*] ); ihm gegenüber sind auch die Pferde begraben, welche die drei Siege zu Olympia errungen haben. Auch andere Rosse, die des Euagoras aus Lacedämon, haben schon dasselbe geleistet, aber mehr als diese keine. Von den Söhnen dieses Cimon wurde nun Stesagoras, der ältere, damals bei seinem Vatersbruder Miltiades auf der Chersonesus erzogen, der jüngere aber bei dem Cimon selbst zu Athen, und führte dieser nach dem Miltiades, welcher in der Chersonesus sich niedergelassen hatte, den Namen Miltiades.


***
104.

Dieser Miltiades nun, welcher aus der Chersonesus gekommen und einem doppelten Tode entgangen war, führte die Athener an. Einmal nämlich hatten ihn die Phönicier bis Imbrus verfolgt folgt[**] ). welche viel darum gegeben hätten, ihn zu fangen und zum Könige zu führen; dann, als er diesen entronnen und in seine Heimath gekommen war, wo er in Sicherheit zu sein glaubte, da nahmen es seine Feinde mit ihm auf und schleppten ihn vor Gertcht, wo sie wegen der Alleinherrschaft in der Chersonesus Klage erhoben. Allein er entging auch diesen und wurde so zum Feldherrn der Athener ernannt, durch die Wahl des Volkes.




105.-106

Zuvörderst nun schickten die Feldherren, als sie noch in der Stadt waren, nach Sparta einen Herold, den Phidippides, einen Athener, welcher ein Schnellläufer war und dieses Geschäft betrieb[***] ). Diesem Phidippides, wie er selbst erzählte und den Athenern meldete, begegnete auf dem Parthenischen Gebirge, das über Tegea liegt[*] ), Pan, welcher den Phidippides bei seinem Namen aufrief und ihn aufforderte, den Athenern zu melden, warum sie denn um ihn sich gar nicht kümmerten, da er doch so wohlgesinnt für die Athener sei, so oft auch schon ihnen sich nützlich erwiesen und in der Folge noch erweisen werde. Daher errichteten die Athener, sobald sich ihre Lage wieder gebessert hatte, weil sie fest glaubten, daß dieß wahr sei, ein Heiligthum des Pan unten an der Burg[**] ) und bringen ihm in Folge dieser Botschaft jedes Jahr zur Sühne Opfer und einen Fackellauf[***] ).


***
106.

Dieser Phidippides, welcher damals von den Feldherren abgeschickt worden war, wo ihm nach seiner Erzählung auch Pan erschien, kam in zwei Tagen aus der Stadt der Athener nach Sparta[†] ). Dort angekommen sprach er zu den Behörden also: o Lacedämonier, die Athener bitten euch, ihr möchtet ihnen zu Hülfe kommen, und nicht ruhig zusehen, daß die älteste Stadt unter den Hellenen in Knechtschaft fällt durch fremde Männer; denn jetzt ist schon Eretria in Sclaverei gebracht und Hellas um eine angesehene Stadt schwächer geworden. Also meldete er ihnen das, was ihm aufgetragen worden war; auch beschloßen sie sofort, den Athenern Beistand zu leisten, aber es war ihnen unmöglich, dieß sogleich zu thun, weil sie das Gesetz nicht übertreten wollten. Es war nämlich der neunte Tag des ersten Drittels im Monat; am neunten Tage aber auszuziehen, wo der Kreis des Mondes noch nicht voll wäre, lehnten sie ab und erwarteten demnach den Vollmond[*)] .




107.

Die Barbaren aber führte Hippias, des Pisistratus Sohn, nach Marathon, nachdem er in der vergangenen Nacht folgendes Traumgesicht im Schlafe gehabt hatte. Es kam ihm vor, als schlafe er mit seiner eigenen Mutter zusammen, und aus diesem Traum schloß er, er würde, wenn er nach Athen zurückgekehrt wäre und die Herrschaft wieder erhalten hätte, in seiner Heimath als Greis sterben. Diesen Schluß hatte er aus dem Traumgesicht gezogen. Damals aber, als er die Perser führte, brachte er zuerst die Sclaven von Eretria nach der Insel der Styreer, welche Aegilea heißt[**] ), dann ließ er die Schiffe, welche nach der Küste von Marathon gesteuert waren, dort anhalten und stellte die daraus an's Land gestiegenen Barbaren auf. Und während er mit diesen Anordnungen beschäftigt war, kam ihn ein Nießen[***] ) und Husten an, weit stärker als gewöhnlich, und da er ein älterer Mann war, wurden die meisten Zähne erschüttert, ja einer von diesen Zähnen fiel sogar heraus in Folge des heftigen Hustens; als er sich alle Mühe gab, diesen, der in den Sand gefallen war, wieder zu finden, der Zahn aber nirgends zum Vorschein kam, so seufzte er auf und sprach zu den Umstehenden: dieses Land ist nicht unser und wir werden es auch nicht unterwürfig machen können; was aber mein Theil daran war, das hat jetzt der Zahn.



108.

Hippias schloß nun, das Traumgesicht wäre auf diese Weise in Erfüllung gegangen. Den Athenern aber, welche bei dem Heiligthum des Herkules[†] ) aufgestellt waren, kamen die Platäer mit ihrer ganzen Macht zu Hülfe. Denn die Platäer hatten sich schon vorher den Athenern übergeben, welche für sie bereits viele Mühen übernommen hatten; sie hatten sich nämlich auf folgende Weise übergeben. Die Platäer, von den Thebanern bedrängt, wollten sich zuerst dem Kleomenes, dem Sohne des Anaxandrides, und den Lacedämoniern, welche gerade damals sich in der Nähe befanden, übergeben, diese aber lehnten es ab und sprachen zu ihnen Folgendes: Wir wohnen zu entfernt und könnten euch daher nur einen schwachen Beistand leisten, denn es kann oftmals kommen, daß ihr schon zu Sclaven gemacht seid, ehe irgend Jemand von uns es erfährt. Wir geben euch darum den Rath, euch den Athenern zu übergeben, welche eure Nachbarn und auch nicht zu schwach sind, um euch Beistand zu leisten. Diesen Rath gaben die Lacedämonier, nicht so sehr aus Wohlwollen für die Platäer, sondern weil sie den Athenern Last und Mühe bereiten wollten, welche dadurch in einen Streit mit den Böotiern verwickelt wurden. Diesen Rath gaben nun die Lacedämonier den Platäern[*] ); diese wiesen ihn auch nicht ab, sondern, als die Athener den zwölf Göttern[**][)] Opfer brachten, setzten sie sich an den Altar, flehend um Schutz und übergaben sich selbst. Als die Thebaner dieß erfuhren, zogen sie wider die Platäer zu Felde, aber die Athener eilten ihnen zu Hülfe; als sie aber im Begriff waren, die Schlacht zu beginnen, ließen es die Korinthier nicht zu, welche gerade in der Nähe sich befanden und beide Theile mit einander aussöhnten, auch, von beiden dazu aufgefordert, die Gränzen des Landes unter der Bedingung festsetzten, daß die Thebaner alle die Böotier in Ruhe ließen, welche nicht wollten zu den Böotiern gezählt fein[***][).] Die Korinthier zogen nun ab, nachdem sie dieß bestimmt hatten. Wie aber die Athener im Abzug waren, fielen die Böotier über sie her, unterlagen jedoch bei diesem Angriff in der Schlacht, und nun überschritten die Athener die Gränzen, welche die Korinthier den Platäern gesetzt hatten, und machten darauf, nachdem sie die Gränzen überschritten hatten, den Asopus[*][)] selbst zur Gränze zwischen den Thebanern und zwischen Platää und Hysiä[**][)] . Auf die angegebene Weise hatten also die Plataia sich selbst den Athenern übergeben und daher kamen sie damals nach Marathon ihnen zu Hülfe.



109.-110

Es waren aber die Ansichten der Athenischen Feldherren getheilt, indem die Einen einen Kampf mißriethen, weil sie zu schwach wären, um mit dem Heere der Meder in einen Kampf sich einzulassen, die Andern aber, und darunter auch Miltiades, dafür sich erklärten. Als nun die Ansichten getheilt waren und die schlechtere Ansicht durchdrang, begab sich Miltiades zu dem Callimachus von Aphidnä, welcher damals Polemarchus ***) war, und vermöge dieses Amtes, zu dem er durch das Loos[†)] bestimmt worden war, die eilfte Stimme abzugeben hatte: denn vor Alters verliehen die Athener dem Polemarchen gleiches Stimmrecht mit dem Feldherrn; zu diesem sprach Miltiades Folgendes: in deiner Hand liegt es nun, entweder Athen in Knechtschaft zu stürzen, oder es frei zu machen und dir ein Denkmal zu hinterlassen auf alle Zeiten, wie es nicht einmal Harmodius und Aristogiton[††)] hinterlassen. Denn die Athener sind jetzt in die größeste Gefahr gekommen, seit Athen steht. Beugen sie sich unter die Meder, so ist schon beschlossen, was sie erdulden werden, so wie sie sich an Hippias übergeben haben; siegt aber diese Stadt über ihre Feinde, so kann sie wohl die erste unter allen Städten von Hellas werden. Wie dieß nun geschehen kann, und wie die Entscheidung über diese Dinge in deiner Hand liegt, will ich jetzt angeben. Wir Feldherren, deren es zehn sind, sind getheilt in unseren Ansichten, indem die Einen zum Kampfe rathen, die Andern davon abrathen. Treten wir nun nicht in den Kampf ein, so fürchte ich, es kommt zu einem Parteizwist, welcher die Gesinnungen der Athener in der Weise ums, daß sie für die Perser geneigt werden; beginnen wir aber den Kampf, bevor auch nur irgend ein schlimmer Gedanke Einigen von den Athenern beikommt, so sind wir, wenn die Götter nicht wider uns sind[*)] , im Stande, in dem Zusammenstoß den Sieg zu erringen. Alles das liegt nun in deiner Hand und hängt von dir ab; wenn du nämlich meiner Ansicht dich anschließest, so ist das Vaterland frei und unsere Stadt die erste unter den Städten in Hellas; trittst du aber auf die Seite derer, welche den Angriff mißrathen, so wird das Gegentheil von all den Gütern, die ich aufgezählt habe, eintreffen.


***
110.

Durch diese Worte brachte Miltiades den Callimachus auf seine Seite, und da die Stimme des Polemarchen hinzugekommen war, stand der Entschluß fest, sich zu schlagen. Diejenigen Feldherren nun, deren Meinung für die Schlacht gewesen, übergaben den Oberbefehl, ein Jeder an dem Tage, an welchem derselbe ihm zufiel, an den Miltiades; dieser nahm es zwar an, schritt aber nicht eher zum Kampfe, als bis sein Tag des Oberbefehls gekommen war.




111.-114

Als nun die Reihe an ihn gekommen war, da stellten die Athener folgendermaßen sich zum Kampfe auf: den rechten Flügel führte der Polemarch Callimachus, denn es war damals herkömmlich bei den Athenern, daß der Polemarch den rechten Flügel inne hatte, Unter seiner Führung nun folgten die Stämme, so wie sie gezählt wurden[**] ), in einer Reihe nach einander; zuletzt waren die Plataia, welche den linken Flügel hatten, aufgestellt. Denn seit dieser Schlacht, wenn die Athener zu dem Feste[*)] , das alle fünf Jahre Statt findet, sich versammeln und Opfer darbringen, betet der Attische Herold auch für sie, indem er Heil von den Göttern zugleich für die Athener und Platäer erfleht. Damals nun verhielt es sich mit der Aufstellung der Athener bei Marathon folgendermaßen. Das Heer nahm in der Schlachtordnung eine gleiche Länge ein, wie das Medische Heer, aber das Mitteltreffen hatte eine nur geringe Tiefe, und war hier das Heer am schwächsten, während die beiden Flügel stärker waren.


***
112.

Wie sie aber aufgestellt waren und die Opfer günstig ausfielen, da stürzten die Athener, sowie der Befehl an sie ergangen war, im Laufe wider die Barbaren; es betrug aber der Zwischenraum nicht weniger als acht Stadien[**] ). Die Perser aber, wie sie Jene im Lauf heranrücken sahen, rüsteten sich, sie zu empfangen, und fanden es von Seiten der Athener ganz toll und zu derem eigenem Verderben, als sie bemerkten, wie gering Jene an Zahl waren, und dazu im Laufe heraneilten, ohne allen Beistand von Reiterei und von Bogenschützen. Also dachten die Barbaren. Als aber die Athener dicht geschaart den Barbaren nahe gekommen waren, kämpften sie auf preiswürdige Weise, denn sie waren die ersten unter allen Hellenen, welche wir kennen, die im Sturmschritt wider die Feinde rückten[***] ), sie waren auch die ersten, welche den Anblick der Medischen[*] ) Kleidung und der Männer, die damit bekleidet waren, aushielten, während bis dahin schon der Name der Meder und Hellenen, wenn sie ihn hörten, Furcht einflößte.



***
113.

Es dauerte aber der Kampf auf dem Felde bei Marathon eine lange Zeit; im Mitteltreffen nämlich siegten die Barbaren, da wo die Perser selbst und die Saken[**] ) aufgestellt waren; an diesem Punkte nun siegten die Barbaren, indem sie die Reihen der Gegner durchbrachen und diese in das Land hinein verfolgten: auf den beiden Flügeln aber siegten die Athener und die Platäer. Auf diese Weise siegend, ließen sie den in die Flucht geschlagenen Theil der Barbaren fliehen, zogen aber dann ihre beiden Flügel zusammen und richteten den Kampf wider diejenigen, welche das Mitteltreffen durchbrochen hatten; hier siegten nun die Athener, verfolgten dann die fliehenden Perser und hieben sie zusammen, bis sie an das Meer kamen, wo sie Feuer verlangten und sich in die Schiffe machten.



***
114.

In dieser Schlacht kam zuvörderst der Polemarch Kallimachus um, welcher sich tapfer gehalten hatte, ebenso aus der Zahl der Feldherren Stefilaus, des Thrasylas Sohn; dann aber auch war es hier, wo Cynegirus, des Euphorion Sohn[***] ), indem er den Hintertheil eines Schiffes erfaßte, fiel, nachdem ihm mit einem Beile die Hand abgehauen worden war; auch viele andere Athener von Namen fielen daselbst.




115.-116

Auf solche Weise nun erkämpften sich die Athener sieben Schiffe; mit den übrigen aber steuerten die Barbaren in die hohe See, nahmen die Gefangenen von Eretria aus der Insel mit, auf welcher sie dieselben zurückgelassen hatten[*] ) und schifften um Sunium herum, in der Absicht, vor den Athenern in die Stadt zu kommen; auf diesen Gedanken sollen sie, wie es unter den Athenern hieß, in Folge eines Anschlags der Alkmäoniden gekommen sein; diese nämlich hätten in Folge einer Verabredung den Persern, als sie bereits auf den Schiffen sich befanden, einen Schild gezeigt.


***
116.

Die Perser schifften nun um Sunium herum. Die Athener aber eilten so schnell als möglich zurück in die Stadt, kamen auch dort an, ehe die Barbaren gekommen waren; und schlugen nach ihrer Ankunft vor dem Heiligthum des Herkules bei Marathon[**] ) ihr Lager auf bei einem andern Heiligthum des Herkules im Cynosarges[***] ). Die Barbaren aber, welche mit ihren Schiffen bereits auf der Höhe von Phalerum, welches damals der Hafen der Athener war, erschienen waren und auf der hohen See sich eine Zeitlang gehalten hatten, kehrten dann wieder zurück nach Asien.




117.

In dieser Schlacht bei Marathon fielen von den Barbaren an sechstausend vierhundert Männer, von den Athenern hundertundzweiundneunzig. So viele fielen von beiden Seiten. Es begab sich aber daselbst noch folgendes Wunder. Epizelus, des Kuphagoras Sohn, ein Athener, welcher den Kampf mitgemacht und sich tapfer gehalten hatte, verlor mit einemmal das Licht der Augen, ohne daß er an irgend einem Theil des Körpers einen Schlag erhalten, oder von einem Wurf getroffen war, und blieb auch von dieser Zeit an sein übriges Leben blind. Er selbst, wie ich vernommen habe, gab folgende Erzählung über sein Unglück. Es sei ihm vorgekommen, wie wenn ein großer Mann schwerbewaffnet, dessen Kinn der ganze Schild bedeckte, ihm entgegen getreten; diese Erscheinung sei an ihm zwar vorübergegangen, hätte dann aber seinen Nebenmann erschlagen. Dieses nun erzählte, wie ich hörte, Epizelus.



118.

Als Datis zugleich mit dem Heere nach Asien zog und bei Myconus[*] ) sich befand, sah er im Schlafe ein Traumgesicht; was es für ein Gesicht war, wird nicht angegeben; sowie aber der Tag angebrochen war, ließ er die Schiffe durchsuchen, und als in einem Phönizischen Schiffe ein vergoldetes Bild des Apollo gefunden worden war, frug er, woher dasselbe geraubt sei? Sowie er dann erfahren, aus welchem Heiligthum es war, fuhr er mit seinem Schiffe nach Delus und stellte das Bild, da die Delier inzwischen auf die Insel zurückgekehrt waren, in das Heiligthum mit dem Auftrag an die Delier, das Bild nach dem Thebanischen Delium zu bringen; dieses liegt an dem Meere, gegenüber von Chalcis[**] ). Nach diesem Auftrage fuhr Datis wieder fort. Die Delier aber brachten diese Bildsäule nicht weg, sondern nach Verlauf von zwanzig Jahren brachten die Thebaner selbst in Folge eines Götterspruches dieselbe nach Delium.



119.

Die zu Sclaven gemachten Eretrier[***] ) aber führten Datis und Artaphernes, nachdem sie auf ihrer Fahrt Asien erreicht hatten, von da nach Susa. Nun hatte zwar der König Darius, bevor die Eretrier gefangen genommen waren, einen gewaltigen Zorn auf sie, weil die Eretrier zuerst ihn beleidigt hätten, als er sie aber sah, wie sie zu ihm geführt und in seiner Gewalt waren, that er ihnen kein weiteres Leid an, sondern siedelte sie im Kissischen Lande[†] ) auf einer seiner Stationen[††] ) an, welche den Namen Arderikka führt und von Susa zweihundert und zehn Stadien[†††] ) entfernt ist, sowie vierzig[*†] ) von dem Brunnen, welcher drei ganz verschiedene Dinge enthält. Denn man schöpft aus demselben Erdpech, Salz und Oel auf folgende Weise: man schöpft es heraus mit einem Brunnenschwengel, au welchem statt des Eimers die Hälfte eines Schlauches gebunden ist; diesen läßt man hinunter, schöpft damit, und gießt es dann in einen Behälter und aus diesem kommt es wieder in einen anderen Raum, wo es sich in dreifacher Weise umwandelt. Das Erdpech nämlich und das Salz gerinnt alsbald, das Oel aber sammelt man in Gefäßen, die Perser nennen es Rhadinake; es ist schwarz und gibt einen starken Geruch von sich. Hier siedelte der König Darius die Eretrier an, die noch bis auf meine Zeit dieses Land inne hatten und die alte Sprache bewahrten. Also verhielt es sich mit den Eretriern.



120.

Von den Lacedämoniern aber kamen nach Athen zweitausend nach dem Vollmonde; sie hatten sich alle Mühe gegeben, noch zu rechter Zeit einzutreffen, so daß sie nur in drei Tagen[*)] von Sparta nach Attika gelangten. Da sie nun erst nach dem Zusammenstoß eingetroffen waren, so verlangten sie dennoch die Meder zu sehen, eilten daher nach Marathon und besahen Alles, hernach zogen sie wie. der heim unter Lobsprüchen auf die Athener und ihre That,



121.

Es wundert mich aber und ich kann die Behauptung nicht annehmen[**][)] , daß die Alkmäoniden den Persern in Folge einer Verabredung ein Zeichen mit einem Schilde gegeben[***] ), weil sie gewünscht, Athen unter die Barbaren und unter Hippias zu bringen, da sie noch mehr oder doch auf gleiche Weise, wie Kallias, des Phänippus Sohn und des Hipponicus[*] ) Vater, sich als offenbare Feinde einer Alleinherrschaft gezeigt haben. Denn Kallias war unter allen Athenern der einzige, der es wagte, wenn Pisistratus aus Athen vertrieben war[**] ), dessen Güter, welche vom Staate öffentlich zum Verkauf ausgeboten wurden, zu kaufen, und auch sonst in Allem auf das feindseligste ihm entgegentrat.



122-124[***] ).

Es verdient aber dieser Kallias, daß Jedermann aller Orten seiner gedenke. Denn einerseits, wie vorher bemerkt worden, war er ein Mann, aufs eifrigste bemüht um die Freiheit seines Vaterlandes, andererseits aber machte er durch das, was er zu Olympia that, wo er einen Sieg im Wettrennen gewann, und in einem Wettkampf mit einem Viergespann die zweite Stelle erhielt, während er vorher in den Pythischen Spielen einen Sieg davon getragen hatte, sich bei allen Hellenen bekannt in Folge seines gewaltigen Aufwandes; und ebenso zeigte es sich bei seinen drei Töchtern, was er für ein Mann war. Denn als sie mannbar geworden, gab er ihnen ein herrliches Geschenk und willfahrte ihnen darin, daß er einer Jeden den zum Manne gab, den sie unter allen Athenern sich zum Manne auszuwählen wünschte[†)] .


***
123.

Auch die Alkmäoniden waren auf gleiche Weise oder doch um nichts weniger als dieser Kallias Feinde einer Alleinherrschaft, Daher wundert es mich, und ich nehme die Verläumdung nicht an, daß dieselben ein Zeichen mit dem Schilde gegeben, da sie die ganze Zeit der Alleinherrschaft in der Verbannung zubrachten, und auf ihren Betrieb die Pisistratiden die Alleinherrschaft verloren[*] ). Und so waren sie, wie ich es beurtheile, noch weit mehr als Harmodius und Aristogiton die Männer, welche Athen befreit haben: denn diese hatten durch die Ermordung des Hipparchus die übrigen Pisistratiden mehr erbittert[**] ) und diese durchaus nicht um die Alleinherrschaft gebracht; die Alkmäoniden aber haben offenbar Athen befreit, insofern sie es wirklich waren, welche die Pythia beredet haben, Lacedämoniern die Befreiung von Athen aufzugeben, wie es von mir früher angegeben worden ist[***] ).



***
124.

Aber, könnte man etwa sagen, sie haben wohl aus irgend einem Groll auf das Volk der Athener das Vaterland verrathen wollen. Indessen gab es ja keine angeseheneren Männer zu Athen, und keine, die mehr geehrt waren als sie. Es ist daher gar kein Grund vorhanden, daß sie um einer solchen Veranlassung willen den Schild gezeigt hätten. Es ist nämlich ein Schild gezeigt worden, und läßt sich dieß nicht anders angeben, weil es geschehen ist; wer jedoch derjenige war, welcher den Schild gezeigt hat, darüber vermag ich nichts weiter anzugeben.




125.

Die Alkmäoniden waren nun schon von Alters her zu Athen angesehen; von Alkmäon an und dann wieder von Megakles waren sie zu noch größerem Glanze gelangt. Alkmäon nämlich, des Megakles Sohn, hatte den Lydern, welche von Krösus geschickt aus Sardes gekommen waren, um das Orakel zu Delphi zu befragen[†] ), Beistand geleistet und sich mit allem Eifer ihrer angenommen. Als nun Krösus von den Lydern, welche das Orakel besuchten, erfahren hatte, wie Alkmäon ihm Gutes erwiesen, so ließ er ihn zu sich rufen nach Sardes, und beschenkte ihn nach seiner Ankunft mit so viel Gold, als er mit seinem eigenen Leib auf einmal herauszutragen im Stande sei. Alkmäon aber wendete in Bezug auf dieß Geschenk, so bedeutend es auch war, noch folgendes Mittel an. Er zog einen großen Leibrock an und ließ einen weiten Bausch an dem Rock; dann legte er die weitesten Stiefel[*] ), die erfinden konnte, an und so ging er in die Schatzkammer, in welche man ihn hineinführte. Als er hier auf einen Haufen Goldstaub fiel, so stopfte er zuerst neben die Waden so viel Gold als die Stiefel faßten, hernach aber füllte er den ganzen Bausch mit Gold, streute in die Haare des Kopfes von dem Goldstaub und nahm noch Anderes in den Mund, und so ging er aus der Schatzkammer heraus, schleppte mit großer Mühe die Stiefel, und sah allem Andern eher gleich als einem Menschen, da sein Mund vollgepfropft war und Alles aufgeschwollen. Wie ihn Krösus erblickte, kam ihm ein Lachen an; er gab ihm indeß dieß Alles und beschenkte ihn dazu noch mit Anderem, was nicht weniger war als dieses. Auf solche Weise gelangte dieß Haus zu großem Reichthum und dieser Alkmäon, der auf diese Weise ein Viergespann halten konnte[**] ), gewann einen Sieg zu Olympia.



126.-131

Hernach aber, im zweiten Menschenalter nachher, hob Klisthenes[***] ), der Herrscher von Sicyon, das Haus noch mehr, so daß es noch viel berühmter unter den Hellenen wurde, als es vorher war. Klisthenes nämlich, der Sohn des Aristonymus, des Sohnes des Myron, des Sohnes des Andreas, hatte eine Tochter, deren Namen Agaristo war; diese wollte er dem schönsten unter allen Helle nen, den er gefunden, zur Frau geben. So ließ nun Klisthenes bei der Feier der Olympischen Spiele, in welchen er selbst mit einem Viergespann siegte, durch einen Herold bekannt machen, wer von den Hellenen sich für würdig erachte, des Klisthenes Schwiegersohn zu werden, der solle in sechzig Tagen oder auch früher nach Sicyon kommen, indem Klisthenes die Heirath in einem Jahre, von dem sechzigsten Tage an gerechnet, festsetzen werde. Da erschienen nun alle Hellenen, welche auf sich selbst und auf ihr Vaterland stolz waren, als Freier, und Klisthenes behielt sie zu eben diesem Zwecke bei sich, nachdem er einen Wettlauf und einen Ringplatz für sie hergerichtet hatte.


***
127.

Da kam nun aus Italien[*] ) Smindyrides, des Hippokrates Sohn, aus Sybaris, ein Mann, üppig im höchsten Grade, wie nicht leicht Einer (Sybaris[**] ) stand nämlich damals in seiner größesten Blüthe), dann Damasus aus Siris[***] ), der Sohn des Amyris, welcher der Weise hieß. Diese waren aus Italien gekommen. Aus dem Jonischen Meerbusen kamen Amphimnestus, des Epistrophus Sohn aus Epidamnus; dieser also kam von dem Jonischen Meerbusen[†] ). Aus Aetolien kam Males, der Bruder des Titormus, der an Körperkraft alle Hellenen übertraf und von allem Verkehr mit den Menschen sich zurückgezogen hatte in die äußersten Gegenden des Aetolischen Landes. Aus dem Peloponnes erschien Leocedes, der Sohn des Argivischen Herrschers Pheidon, desselben Pheidon, welcher den Peloponnesiern die Maße bestimmt[*)] und den größesten Uebermuth unter den Hellenen geübt hat, indem er die Kampfrichter der Eleer vertrieb und das Kampfspiel zu Olympia selbst anordnete[**)] ; dessen Sohn ***) also erschien, und Amiantus, des Lykurgus Sohn, aus Trapezunt[†)] in 'Arkadien, ferner aus der Stadt Päos[††] ) ein Azoner, Laphanes, des Euphorion Sohn, desselben, der, wie die Sage in Arkadien geht, die Dioskuren[†††] ) in seinem Hause aufgenommen und von der Zeit an alle Menschen gastlich aufnahm, aus Elis Onomastus, des Agäus Sohn. Diese waren nun aus dem Peloponnesus selbst gekommen. Aus Athen kamen Megakles, der Sohn eben des Alkmäon, der zum Krösus gegangen war[*†] ), und ein anderer, Hippoklides, des Tisander Sohn, welcher durch Reichthum und Schönheit unter den Athenern hervorragte aus Eretria, welches zu dieser Zeit noch blühete[**†] ), kam Lysanias; dieser war der einzige aus Euböa. Aus Thessalien kam Diaktorides, der Kranonier, aus dem Geschlechte der Scopaden[*] ), aus dem Lande der Molosser[**] ) Alton.



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128.

So viele der Freier waren es. Als dieselben nun angekommen waren auf den vorher bestimmten Tag, erkundigte sich Klisthenes zuerst nach ihrem Vaterlande und nach dem Geschlecht eines Jeden, hernach aber behielt er sie ein Jahr bei sich und prüfte ihre Tüchtigkeit, ihre Gemüthsart, ihre Bildung und ihren Charakter, mit jedem Einzelnen, wie mit Allen zusammen, ging er in Gespräche ein und führte Alle die, welche noch jüngere Männer waren, in die Turnplätze; und was das wichtigste war, er prüfte sie bei dem Mahle. Während der ganzen Zeit, in der er sie bei sich behielt, that er alles Mögliche und bewirthete sie zugleich auf's glänzendste. Und es gefielen ihm wohl am meisten unter den Freiern diejenigen, welche aus Athen gekommen waren, und unter diesen noch mehr Hippotlides, des Tisander Sohn, welcher eben so sehr wegen wegen seiner Tüchtigkeit, als auch weil er von seinen Ahnen her mit den Kypseliden zu Korinth[***] ) verwandt war, vorgezogen wurde.



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129.

Als nun der festgesetzte Tag herangekommen war, an welchem das Beilager vollzogen werden und Klisthenes selbst sich aussprechen sollte, wen er unter Allen vorziehe, ließ Klisthenes hundert Rinder abschlachten und bewirthete ebenso wohl die Freier selbst als alle Sicyonier; wie sie nun vom Mahle kamen, begannen die Freier einen Wettstreit in der Musik sowie in den Worten, die sie vor einander vorbrachten. Als sie aber zu trinken fortfuhren, befahl Hippoklides, welcher den Uebrigen es bei weitem zuvor that, dem Flöten spieler, einen Tanz ihm zu spielen, und als der Flötenspieler gehorchte, tanzte er; er gefiel sich auch in dem Tanz, aber Klisthenes, welcher die ganze Sache mit ansah, nahm es übel wahr. Nach diesem hielt Hippoklides eine Zeitlang inne und dann ließ er sich einen Tisch hereinbringen. Als der Tisch hereingebracht war, so tanzte er auf demselben zuerst Lakonische Tänze[*)] , hernach andere Attische, dann zum dritten stellte er sich mit dem Kopf auf den Tisch und gestikulirte mit den Füßen. Klisthenes, der schon bei dem ersten und zweiten Tanz einen Widerwillen empfand, daß Hippoklides sein Schwiegersohn werden sollte, um seines Tanzes und seiner Schamlosigkeit willen, hielt an sich, weil er nicht wider ihn losbrechen wollte; wie er ihn aber erblickte, mit den Füßen gestikulirend, konnte er sich nicht mehr zurückhalten, und sprach: o Sohn des Tisander! du hast wirklich deine Heirath vertanzt; Hippoklides aber gab ihm sofort zur Antwort: das kümmert den Hippotlides nicht. Daher ist dieses Sprüchwort gekommen[**] ).



***
130.

Darauf gebot Klisthenes Stille und sprach vor Allen also: Ihr Freier meiner Tochter, ich habe euch Alle zu loben und möchte wohl, wenn es möglich wäre, euch Allen mich gefällig erweisen, indem ich nicht Einen von Euch ausschließlich wähle und die Uebrigen verwerfe; allein es ist nicht möglich, da ich nur über Eine Tochter mich zu entscheiden habe, es Allen nach ihrem Sinn zu thun. Darum will ich denen von Euch, welche von der Heirath abgewiesen werden, ein Silbertalent[***] ) einem Jeglichen geben, weil ihr mir die Ehre erwiesen, von mir eine Tochter in die Ehe zu nehmen, und weil ihr so lange von Hause abwesend waret; dem Megakles aber, dem Sohne des Alkmäon, verlobe ich meine Tochter Agariste, nach der Sitte der Athener; Megakles aber ging die Verlobung ein und es war die Heirath von Seiten des Klisthenes abgeschlossen.



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131.

Mit der Entscheidung über die Freier war es so ergangen und auf diese Weise wurden die Alkmäoniden berühmt in ganz Hellas. Aus dieser Ehe ging hervor der Klisthenes, welcher die (zehn) Stämme und die Volksherrschaft zu Athen einführte[*] ), und hatte er den Namen von seinem Großvater mütterlicher Seits aus Sicyon[**] ); dieser nun und Hippokrates waren die Söhne des Megakles; von Hippokrates stammt ein anderer Megakles und eine andere Agariste, welche von der Agariste des Klisthenes den Namen hatte; diese heirathete den Xanthippus, den Sohn des Ariphron, und als sie schwanger war, sah sie im Schlafe ein Traumgesicht, in welchem es ihr vorkam, sie brächte einen Löwen zur Welt; und nach wenigen Tagen gebar sie dem Xanthippus den Perikles[***] ),




132.-135

Nach dem Schlag, der zu Marathon geschehen war[†] ), stieg Miltiades, der schon vorher bei den Athenern in Ansehen stand, dann noch weit mehr, und so bat er die Athener um siebenzig Schiffe[††][),] um ein Heer und um Geld, ohne ihnen anzugeben, wider welches Land er zu Felde ziehe, sondern nur erklärend, er werde sie reich machen, wenn sie ihm folgen würden; denn er werde sie wider ein solches Land führen, woher sie mit Leichtigkeit Gold in Fülle nach Hause bringen könnten; mit einer solchen Erklärung verlangte er die Schiffe. Die Athener ließen sich dadurch verleiten, und verwilligten ihm dasselbe.


***
133.

Miltiades übernahm das Heer und fuhr damit nach Caros[†††] ), unter dem Vorwande, daß die Parier zuerst mit einem Dreiruderer nach Marathon zugleich mit dem Perser zu Felde gezogen wären. Es war dieß zwar nur ein Vorwand, den er angab; er hatte vielmehr einen Groll wider die Parier wegen Lysagoras, des Tisias Sohn, welcher seiner Herkunft nach ein Parier war, und ihn verläumdet hatte bei dem Perser Hydarnes[*] ). Nachdem nun Miltiades mit seinem Heere dahin, wohin er steuerte, gekommen war, so begann er die Belagerung von Paros, dessen Bewohner sich innerhalb der Mauern eingeschlossen hatten, und schickte einen Herold in die Stadt mit der Forderung von hundert Talenten[**] ) und der Erklärung, wenn sie ihm dieselben nicht geben wollten, so werde er sein Heer nicht eher wegführen, als bis er die Stadt eingenommen habe. Die Parier aber dachten gar nicht daran, dem Miltiades auch nur einen Heller Geld zu geben, sondern sannen vielmehr auf Mittel, die Stadt zu vertheidigen, verfielen auch auf Verschiedenes, insbesondere da, wo die Mauer am ersten zu ersteigen war, erhob sich jedesmal in der Nacht eine noch einmal so hohe Mauer, als die alte.



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134.

Bis hierher nun lauten die Angaben aller Hellenen gleich, von da an aber geben die Parier selbst folgende Darstellung[***] ). Während Miltiades in Verlegenheit sich befand, hätte sich mit ihm ein gefangenes Weib in ein Gespräch eingelassen, welche ihrer Herkunft nach von Paros war und den Namen Timo hatte, sie war eine Dienerin[*][)] in dem Tempel der unterirdischen Götter[**] ). Als sie nun vor dem Angesicht des Miltiades erschien, soll sie ihm den Rath gegeben haben, wenn ihm so viel daran gelegen sei, Paros einzunehmen, so solle er das thun, was sie ihm angebe. Darauf habe sie ihren Rath gegeben, Miltiades aber wäre, als er zu dem Hügel, der vor der Stadt ist, gekommen, über den Zaun der gesetzgebenden Demeter[***] ) gesprungen, weil er die Thüren[†)] nicht zu öffnen im Stande war; auf diesen Sprung wäre er dann nach dem Heiligthum gegangen, um irgend Etwas im Innern zu thun, sei es daß er Etwas von dem, was unverrückbar ist, wegbringen, oder ich weiß nicht sonst Etwas thun wollte. Und wie er an der Thür war, habe ihn plötzlich ein Schauder überkommen und er sei schleunigst denselben Weg zurück gegangen; als er aber über die Hecke sprang, habe er sich die Hüfte verrenkt; Einige behaupten dagegen, er habe sich am Knie gestoßen.



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135.

Miltiades schiffte nun, da er krank war, wieder zurück, ohne Geld für die Athener mitzubringen, und ohne Paros erobert zu haben, sondern nachdem er es sechsundvierzig Tage belagert und die Insel verheert hatte. Als die Parier aber erfuhren, daß Timo, die Dienerin der Götter, den Miltiades angeleitet habe, so wollten sie dieselbe dafür bestrafen und schickten deshalb Gesandte nach Delphi, sowie sie in Ruhe waren vor der Belagerung. Sie schickten aber, um zu fragen, ob sie die Dienerin der Göttin um's Leben bringen sollten, weil sie die Feinde des Vaterlandes zur Eroberung angeleitet und dem Miltiades die Heiligthümer, welche vor allem Männlichen verborgen sein sollten, gezeigt habe. Allein die Pythia untersagte es, indem sie erklärte, nicht Timo sei die Ursache davon, sondern sie habe vielmehr den Miltiades, weil ihm vom Schicksal kein gutes Ende bestimmt gewesen, angeleitet zu seinem eigenen Unglück. Diesen Spruch nun ertheilte die Pythia den Pariern,




136.

Als darauf Miltiades aus Paris zurückgeführt war, entstand bei den Athenern viel Gerede über ihn, und war es unter den Uebrigen insbesondere Xanthippus, der Sohn des Ariphron, welcher den Miltiades vor dem Volke auf den Tod anklagte, weil er die 'Athener betrogen[*] ). Miltiades war zwar selbst zugegen, vertheidigte sich aber nicht, denn er war nicht im Stande es zu thun, da die Hüfte in Fäulniß gerathen war; während er da offen im Bette da lag[**)] , führten seine Freunde für ihn die Vertheidigung, indem sie vielfach der Schlacht, die bei Marathon stattgefunden, sowie der Einnahme von Lemnus gedachten, welches er erobert und, nachdem er Rache an den Pelasgern genommen, den Athenern übergeben hatte. Auch das Volk trat auf seine Seite, indem es ihn vom Tode frei sprach, aber ihn, auch seiner Schuld wegen, um fünfzig Talente strafte. Miltiades starb indeß bald nachher, da die Hüfte in Brand gerathen und abgefault war; die fünfzig Talente bezahlte dann sein Sohn Cimon[*] ).



137.-139

Lemnus aber hatte Miltiades, des Cimon Sohn, auf folgende Weise in seine Gewalt bekommen. Es waren die Pelasger[**] ) aus Attika von den Athenern vertrieben worden, sei es nun mit Recht oder mit Unrecht: denn das kann ich nicht angeben, ausgenommen, was man anführt, daß Hekatäus[***][),] des Hegesander Sohn, in seinen Geschichten behauptet habe, mit Unrecht. Denn als die Athener gesehen, daß das Land, welches sie ihnen am Fuße des Hymettus[†)] zum Wohnen angewiesen, als Lohn für die Mauer, welche einst um die Burg von ihnen gezogen worden war ††(, wohl bebaut war, während es vorher schlecht und nichts werth war, empfanden sie Neid und Verlangen nach dem Lande, und so hätten sie jene daraus vertrieben, ohne nur irgend einen andern Vorwand zu nehmen. Die Athener selbst behaupten, sie hätten sie mit Recht vertrieben; denn die Pelasger, welche am Fuße des Hymettus gewohnt, hätten von hier aus ihnen folgendes Unrecht angethan. Ihre Töchter nämlich, sowie auch ihre Söhne wären immer zu der Quelle Enneakrunos[†††] ) gegangen um Wasser zu holen, weil in dieser Zeit sie eben so wenig wie die übrigen Hellenen Sclaven gehabt hätten[*] ); wie nun die Töchter dahin gekommen, so hätten die Pelasger aus Uebermuth und Geringschätzung ihnen Gewalt angethan. Und doch sei ihnen dieß nicht genug gewesen, sondern sie hätten sogar einen Anschlag wider sie gemacht, wären aber auf frischer That ertappt worden. So hätten sich die Athener um so viel bessere Männer als jene erwiesen, da es in ihrer Macht lag, das Pelasger zu tödten, nachdem sie dieselben auf einem Anschlag ertappt hatten; aber sie hätten dieß nicht thun wollen, sondern Jenen dafür aufgegeben, ihr Land zu verlassen. Also wären diese ausgezogen und hätten außer anderen Orten auch Lemnus in Besitz genommen. Jenes nun hat Hekatäus gesagt; dieses aber sagen die Athener.


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138.

Diese Pelasger, welche damals Lemnus bewohnten und an den Athenern sich rächen wollten, verschafften sich Fünfzigruderer und legten, weil sie mit den Festen der Athener wohl bekannt waren, einen Hinterhalt den Weibern der Athener, welche der Artemis zu Brauron[**] ) ein Fest feierten. Von da an raubten sie viele derselben, fuhren dann mit weg und brachten sie nach Lemnus, wo sie dieselben als Kebsweiber hielten. Da aber diese Weiber Kinder in Menge bekommen hatten, lehrten sie ihre Knaben die Attische Sprache und die Sitten der Athener. Diese Knaben aber wollten mit den Knaben, die von Pelasgischen Weibern waren, gar nichts zu thun haben, und wenn Einer von ihnen von diesen geschlagen wurde, so liefen Alle herbei und leisteten einander Hülfe; ja sie meinten sogar, es komme ihnen die Herrschaft über die anderen Knaben zu, und gewannen sie in der That die Oberhand. Wie dieß die Pelasger bemerkten, gingen sie mit einander zu Rathe, und da sie sich die Sache überlegten, kam ihnen ein starkes Bedenken an, was diese Knaben, wenn sie zu Männern herangewachsen wären, wohl thun würden, da sie jetzt schon entschieden seien, einander beizustehen gegen die Knaben der rechtmäßigen Weiber und schon jetzt den Versuch machten, über diese zu herrschen. Da beschlossen sie, die Knaben von den Attischen Weibern zu tödten, und als sie dieß thaten, brachten sie auch dazu noch die Mütter um's Leben. Wegen dieser That, sowie wegen der früheren, welche die Weiber vollbracht hatten, die ihre Männer zugleich mit Thoas[*] ) um's Leben gebracht hatten, ist es in Griechenland üblich, jede frevelhafte That eine Lemnische zu nennen.



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139.

Den Pelasgern aber, welche ihre eigenen Söhne und Frauen gemordet hatten, trug die Erde keine Frucht, noch brachten Weiber und Heerden dieselbe Nachkommenschaft wie zuvor. So von Hunger und Kinderlosigkeit bedrängt, schickten sie nach Delphi, um eine Lösung der gegenwärtigen Uebel sich zu erbitten. Die Pythia aber forderte sie auf, den Athenern die Genugthuung zu geben, welche diese selbst aussprechen würden. Die Pelasger kamen nun nach Athen und erklärten sich bereit, Genugthuung zu geben für all' das Unrecht. Die Athener aber breiteten in dem Rathhaus ein Lager aus, so herrlich als möglich, setzten daneben einen Tisch, der voll von allen guten Speisen war, und forderten dann die Pelasger auf, das Land in einem solchen Zustande zu übergeben. Die Pelasger aber gaben ihnen darauf zur Antwort: wenn ein Schiff mit dem Nordwind[**] ) an einem und demselben Tage den Weg von eurem Lande bis zu unserem zurückgelegt hat, dann wollen wir es übergeben. So sprachen sie, weil sie wußten, daß dieß unmöglich sei. Denn Attika liegt weit nach Süden zu von Lemnus.




140.

So weit kam es damals: aber sehr viele Jahre nach diesem, als die Chersonesus am Hellespont unter die Herrschaft der Athener gekommen war, fuhr Miltiades, des Cimon Sohn, zu der Zeit, wo feste Winde[*] ) eingetreten waren, mit einem Schiffe von Eläus[**][)] am Chersones nach Lemnus und befahl den Pelasgern, die Insel zu verlassen, indem er sie an das Orakel erinnerte, an dessen Erfüllung die Pelasger nimmermehr gedacht hatten. Es gehorchten ihm nun die Hephästier; die Myrinäer[***] ) aber, welche nicht zugeben wollten, daß die Chersonesus Attisch sei, wurden belagert, bis auch sie sich übergaben. Auf diese Weise waren nun die Athener und Miltiades in den Besitz von Lemnus gekommen,